Voltaire schlägt Leibniz
Zu Beginn seiner Bochumer Intendanz hat Anselm Weber das ehrwürdige Schauspielhaus mitsamt allen Nebenspielstätten über und unter Tage in eine «Weltexperimentiermaschine» verwandelt: Die schöne Wortschöpfung zielt auf Politisches und Ästhetisches gleichermaßen. «Lasst die Utopisten über eure Zukunft entscheiden», lautet einer der neuen Slogans, und die runde Öffnung des «b» wie Bochum haben die Grafiker mittels eines Sterns so explosiv ausgemalt, als solle es aus dieser Bochum-Maschine mindestens Meteoriten hageln.
Denn tatsächlich leben wir nicht in der besten aller Welten.
Für diese Erkenntnis hätte es nicht des Monsieurs Voltaire und seines «Candide» bedurft: Man muss sich nur über den so genannten Ruhrschnellweg der Stadt Bochum nähern, um sich dessen sicher zu sein; gäbe es in einer solchen Welt etwa Staus? Den jungen Protagonisten seines berühmten Romans lässt der französische Aufklärer aus Westfalen kommen, weil er einen deutschen Philosophen auf dem Kieker hat, Leibniz, den Propagandisten eben jener «besten aller Welten», dem Voltaire nach dem verheerenden Erdbeben von Lissabon mit seinem Roman von 1759 satirisch den Garaus zu machen gedenkt. Candide wird vom Schloss eines ...
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