Solidarität oder Die hohe Kunst, sich schmutzig zu machen
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Als ich gefragt wurde, ob ich Lust hätte, bei der Berliner IETM-Konferenz im vergangenen Mai eine Keynote zum Thema «Solidarität und Empathie als radikale Mittel des Widerstands» beizutragen, wusste ich gleich, worüber ich schreiben könnte. Ich notierte ein paar Stichworte, fand sie einigermaßen passend, und sagte den Programmverantwortlichen Anne Schneider und Franziska Pierwoss per Mail zu. Ich überlegte, die Keynote mit einer dialektischen Danksagung zu eröffnen, die sich an das Konferenz-Publikum richten würde.
Ich wollte meine Dankbarkeit für das Privileg ausdrücken, vor so vielen Menschen sprechen zu können und von ihnen gehört zu werden. Mit einem Text vor Hunderten oder gar Tausenden Menschen, hörte ich mich schon sagen, offenbaren wir Künst -ler:innen oft mehr als die meisten Leute gegenüber einem einzigen Menschen im Laufe ihres ganzen Lebens. Diesen Akt der Dankbarkeit bezeichne ich als «dialektisch», weil er mit einer Feier des Raums beginnen würde – genauer gesagt: einer Feier des Publikums, der Öffentlichkeit, des Vorgangs des Geschichtenerzählens. Zugleich, dachte ich zumindest, würde ich damit auch auf einen schwächeren Aspekt dieses Statements hinweisen: die ...
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Theater heute Jahrbuch 2025
Rubrik: Umbrüche, Seite 63
von Sivan Ben Yishai
Eine königlich gedeckte Frühstückstafel. Die leckerste Frühstückstafel, die Sie sich vorstellen können.» Noëlle Haeseling leitet ihr Stück «Fanfaren!» mit dieser köstlichen Beschreibung der Bühne ein und gibt in den ersten Zeilen schon einen Vorgeschmack auf ein zartes Schauspiel mit bitterem Kern.
Eine Galerie – hier warten sie: Die erste, zweite, dritte und...
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