Schiffbruch und Mittelstand

Was geht so in den Köpfen vor? Clemens J. Setz’ «Die Erfindung», Anne Leppers «Flitterwochen im Fertighaus» und Yael Ronens «Collateral Damage» – drei Uraufführungen in Stuttgart, Essen und Köln

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«S» und «C», ein Paar Mitte dreißig, kinderlos. Obwohl bei «C» der Mutterwunsch gelegentlich aufflackert, scheint das Thema aber erledigt. Beide haben Jobs, die nicht erwähnt werden, keine Probleme offenbar. Neubauwohnung, etwas hellhörig. Die Beziehung scheint im Alltag eingerastet, Sex eher selten. Auf dem Nachttisch liegt ein dicker Schmöker. Gelegentlich leicht infantile Rückfälle, man vertreibt sich unter anderem mit Brettspielen den Abend. Gepflegte Langeweile liegt in der Luft. Erstaunlicherweise kein Fernseher im Blickfeld, dafür professionelles Headset.

Homeoffice? Definitiv kein Stück über diskriminierte Minderheiten, sondern tief aus dem mittelsten weißen Mittelstand. Was geht in ihren Köpfen vor?

Nerven kitzeln
Clemens Setz’ «Die Erfindung» fängt gewöhnlich an. Die Nachbarn oben streiten, das Pärchen kann nicht schlafen. Ärger, Vermutungen, Projektionen. Was sind das für Leute, man möchte sie umbringen. Umbringen – aber wie? Ein Wort gibt das andere, keiner will da zurückstehen. Mordmethoden werden erörtert, möglichst heftig, aber bitte nicht «nazi», man ist schließlich zivilisiert. Nicht schon wieder die Motorsäge. Erste Kopfinnenseiten stülpen sich nach außen. Und da ...

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Theater heute Juli 2025
Rubrik: Aufführungen, Seite 16
von Franz Wille

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Zurück in die Adoleszenz

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Selbst und Sprache

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