König für einen Tag

Vergessen und Erinnern im Theater

Theater heute - Logo

Von allen Bühnen der Welt ist die des Gedächtnisses wohl die komplexeste. Ein ewiges Drama aus Fakten, Gefühlen und vergessenen Proben, in dem Erinnerung die Hauptrolle spielt – manchmal tragisch, oft komisch, immer subjektiv. Doch wie unterscheidet sich die nüchterne Regie des Gedächtnisses von der leidenschaftlichen Impro -visation der Erinnerung? Und was hat Nostalgie, vielleicht als manipulative Soufflage, damit zu tun?

Mein Gedächtnis gleicht einem Archiv, das sich der Perfektion klar verweigert.

Es sammelt Daten, Eindrücke und Szenen in komisch beschrifteten Schubladen. Meine Erinnerung hingegen stürzt sich auf das Material des Gedächtnisses, schreibt es um, schmückt es aus, kürzt, verlängert, verzerrt. Wenn die Nostalgie dann auftritt und übernehmen will, winke ich dankend ab. Ich habe kein Talent zur Nostalgie, obwohl das oft im Theater verlangt wird. Weil Theater wirklich ständig mit diesem Blick zurück zu tun hat und das, obwohl diese Kunstform vom Hier und Jetzt lebt.

Das Schöne an meinem Beruf als Dramaturgin ist, dass ich so eine Art Kurzzeit-Universal-Halbwissen habe. Zwei Monate lang beschäftige ich mich mit diesem oder jenem dann wieder mit etwas ganz Anderem. Ein ...

Sabrina Zwach, geboren 1969 in Heidelberg, ist Dramaturgin, Autorin und Kuratorin. Sie realisiert eigene interdisziplinäre Arbeiten, ist in der Zusammenarbeit eng mit Herbert Fritsch und Regisseur:innen und Künstler:innen im deutschsprachigen Raum verbunden. Sie lebt in Berlin.

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute März 2025
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Sabrina Zwach

Weitere Beiträge
Maria Milisavljević: Staubfrau

DER FLUSS I / PROLOG

Wenn’s mir dunkel wird vor Augen, gehe ich zum Fluss.
Wenn es mich wieder mal zu wuchtig geworfen hat, schaue ich gern in den dahinziehenden Strom.
Ich mag es, wenn die Sonne ihre Strahlen in das Wasser wirft und nur ein Hauch von Licht zurückgeworfen wird.
Denn der Fluss zieht die Sonnenstrahlen mit sich fort.
Wer weiß schon, ob er sie an...

​​​​​​​Hamburger Gelingensbedingungen

Schon im Juni 2024 stromerte die Hoffnung durch die Hansestadt. Der rot-grüne Senat sehe für die Kulturbehörde im neuen Doppelhaushalt ein Plus von etwa 11 Prozent im nächsten Jahr vor, hatte es aus dem Rathaus geheißen. Von «sensationell guten Nachrichten» sprach Hamburgs Kultursenator Dr. Carsten Brosda (SPD) damals. Doch lange blieb diese Meldung das...

Wie ein Mixtape

Das Drama der Gegenwart hat einen Hang zur antiken Tragödie. Bei Elfriede Jelinek laufen die alten Griechen im Hintergrund fast immer mit, auch Thomas Köck und Roland Schimmelpfennig arbeiteten sich zuletzt am einschlägigen Kanon ab. Und auch der Jungdramatiker Guido Wertheimer (Jg. 1996) bedient sich in seinem Stück «Die realen Geister» aus dem Fundus der...