Keine Zeit für Charme
Es regnet. Im ersten Moment, als der Vorhang über dem Haus von Orgons Familie aufgeht und ein Klavier samt Spieler neben einem von sturzbachartigen Wassermassen getrübten Panoramafenster freigibt, könnte man noch meinen, eine noble Hotellobby mit Wasserfall vor sich zu haben. Doch die wenigen Lampen flackern, und schon bald trippelt die erste Gestalt mit Regenschirm hinter der Scheibe vorbei. Nein, von großzügiger Gastlichkeit, Protz und Prunk kann hier keine Rede sein. Die Tapeten an den verschiebbaren Wänden wiederholen dasselbe nichtssagende Muster in gedrungenen Farben.
Ziemlich finster ist es hier, die Stimmung gedrückt. Und es regnet. Die ganze Zeit.
Wir sind bei Molière, dem Komödiendichter. Aber auch in einer Inszenierung von Barbara Frey. Dass es in diesem «Tartuffe» also nicht flott und heiter zugeht, sondern bedächtig und schwarz, war zu erwarten. Die ehemalige Intendantin des Schauspielhauses Zürich und der Ruhrtriennale war in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig am Wiener Burgtheater tätig. Atmosphärisch besonders perfekt passten ihre präzisen, aber sparsam ausgeleuchteten Kollaborationen mit Bühnenbildner Martin Zehetgruber und Lichtdesigner Reinhard Traub in die ...
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Theater heute März 2025
Rubrik: Aufführungen, Seite 24
von Martin Thomas Pesl
Kurz vor Schluss versuchen beide Berliner Inszenierungen noch etwas rumzureißen. In Georges Bizets «Carmen» in der Regie von Christian Weise wendet sich Lindy Larssons stolze Romni, gerade noch vor die Wahl gestellt, ihr freies Leben aufzugeben oder erstochen zu werden, direkt ans Publikum und ermutigt es mit Erfolg, selbst das Lied des Toreros Escamillo...
Long time ago. Es gab sie mal, die Zeiten, in denen Kritiker die heiligen Theaterhallen (in denen sogar im Parkett noch kräftig geraucht wurde) mit dem Gestus von Fürsten betraten, ihre Garderobe gleich am Eingang abgenommen bekamen, ihre Texte gut alkoho -lisiert Sekretär:innen in die Schreibmaschinentasten diktierten und mehr als auskömmlich von ihrer Arbeit...
Im 19. Januar, nur wenige Tage nach Michael Börgerdings Tod, entrollten die Fans von Werder Bremen im Weser Stadion ein Banner mit der Aufschrift «RiP Michael Börgerding – Danke für deinen Einsatz». Nicht das Präsidium, nicht der Trainer, nein, die Fans bedankten sich bei Michael Börgerding, dem gerade verstorbenen Bremer Theaterintendanten für seinen Einsatz.
Das,...
