Ich schäme mich nicht!
Eigentlich verwendet Regisseurin Leonie Böhm literarische Texte ja wie archäologische Ausgrabungsstätten: Bis auf ein paar Knochenfunde bleibt davon auf der Bühne wenig über. Es geht schließlich um den eigenen, gegenwärtigen Kommentar, das Stück ist da nur ein Sprungbrett. Bei «Fräulein Else» am Wiener Volkstheater funktionieren beide Stränge erstaunlich gut.
Das 90-minütige Solo bleibt lange Strecken hautnah am Originaltext, der selbst im Zeitalter von «Only Fans» noch verstörendes Potenzial entfaltet: 15 Minuten soll eine junge Frau da allein nackt vor einem Freund der Familie stehen, der sie anstarrt. Selbstprostitution, um den verschuldeten Vater vor dem Gefängnis zu retten. Jahrhundertwende-Sommerfrische-Mondänität trifft da auf aktuelle #MeToo-Debatten.
Arthur Schnitzlers berühmte Monolog-Novelle von 1924 ist perfekter Theaterstoff, der gern gespielt wird. Die abgründige Melange aus Scham, eingeworfenem Schlafmittel, das dem Fantasiereichtum dieses aufgekratzten Teenagers noch mehr Feuer gibt und großbürgerlichem Tonfall, ist nach wie vor packend. Auch Schauspielerin Julia Riedler hatte den Text schon lange auf ihrer Wunschliste. Sie trägt den Abend mit beeindruckender ...
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Theater heute Juli 2025
Rubrik: Chronik, Seite 62
von Karin Cerny
Eine irisierende Tapete, eine Kombination aus Sessel mit angrenzender Couch. Der Flur führt direkt auf ein Fenster, das aber offensichtlich nur Tapete ist. Eine Pferdekopf-Statue links, eine Fensterfront mit Gardinen rechts. Es sieht alles sehr gepflegt aus, aber auch, als wolle einer mehr sein als er ist. Zu gewollt, zu künstlich das alles (Bühne Hannes Hetta).
Ei...
Was sehen wir, wenn wir in den Spiegel blicken? Folgt man dem Philosophen Boris Groys, dann muss die naheliegendste Antwort auf diese Frage brüsk zurückgewiesen werden: Natürlich nicht uns selbst! Das war schon immer ein Irrtum, findet Groys, dessen Beweisführung in «Zum Kunstwerk werden» beim mythischen Narziss abspringt, um zielsicher beim Selfie zu landen....
BEDBURG-HAU, MUSEUM SCHLOSS MOYLAND
ab 13.7., Marina Abramovic & Mai im Dialog mit Joseph Beuys
– Zentraler Fokus der Ausstellung liegt auf der ikonischen Performance «Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt» von Joseph Beuys aus dem Jahr 1965 und ihrer Re-Performance durch Marina Abramovic 40 Jahre später. In ihrer legendären Performance-Serie «7 Easy Pieces»...
