Heinrich, mir graut vor dir!
Angesichts der großen Erregung, die jedesmal durch die Gesellschaft geht, wenn ein Fall von Kindesmissbrauch publik wird, ist es erstaunlich, wie ungestraft große Dichter davonkommen, wenn sie solchen Neigungen im wirklichen Leben oder in ihren Texten nachgehen. Dass Edgar Allen Poe seiner 13-jährigen Cousine nachgestellt hat und sie schließlich heiratete, ist vermutlich den meisten seiner Leser unbekannt. Bei Lewis Carroll wurde es eigentlich nur deswegen degoutant, weil er so komische Fotos von der kleinen «Alice» geschossen hat.
Und bei Kleist und Goethe stellen sich Regisseure wie Publikum endgültig taub. Kann man das beim Heilbronner Käthchen noch irgendwie verstehen, weil diese gerade 15-Jährige selbst die Initiative ergreift, um einen älteren Mann zu erobern (selbst wenn der sie auspeitscht), kann man auch Romeo vergeben, weil er ja kaum älter als seine 14-jährige Julia Capulet sein dürfte, so stellt sich der Fall bei Heinrich Faust doch ein wenig anders dar.
Im Musikzimmer des Missbrauchs
Hier verführt und schwängert ein älterer Mann ein Kind und überlässt es anschließend seinem Schicksal. Und trotzdem gibt es so gut wie keine «Faust»-Inszenierung, die dieses angeblich so ...
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Theater heute Mai 2012
Rubrik: Aufführungen, Seite 14
von Till Briegleb
Aachen, Grenzlandtheater
24. Slade, Mörderische Phantasien
R. Frank Voß
Aachen, Theater
18. Zeh, Spieltrieb
R. Anne Lenk
Aalen, Theater der Stadt
5. nach Beaumont, Die Schöne und das Biest
R. Marguerite Windblut
12. Shakespeare, Othello
R. Katharina Kreuzhage
22. nach Lestrade/Docampo,
Die große Wörterfabrik
R. Aline Bosselmann
Annaberg, Eduard-
von-Winterstein-Theater
6....
Jugend will Protest und Anarchie – in allen «Räuber»-Inszenierungen seit 1782. Den Ton der Jugend muss man treffen, den ewigen und den tagesaktuellen. Der polnische Regisseur Jan Klata zielt in seiner Bochumer Inszenierung danach. Und trifft Ton und Bild der Rockmusik. Die schwarzweißen Videoclips von The Battles (Tonto), Woodkid (Iron) und Lana Del Rey (Born to...
Gedanken lesen können nur Wahrsager. Allen anderen bleibt die Literatur, wo sich der innere Monolog großer Beliebtheit erfreut. Der Wiener Autor Xaver Bayer (geb. 1977) etwa begibt sich in seiner 120-Seiten-Erzählung «Wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen» (2011) für ein paar Stunden in den Kopf seines Protagonisten und zeichnet in einem einzigen langen Satz...