Düsseldorf: Schauspiel, Kleines Haus

Hand aufs Herz. Iwan Wyrypajew «Delhi, ein Tanz» (U)

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In dem Film «Der Junge mit dem Fahrrad» der belgischen Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne passiert etwas Unerhörtes. Vier Mal, stets nur ganz kurz, rauscht der Beginn des zweiten Satzes von Beethovens 5. Klavierkonzert auf. Das Adagio setzt die Antithese zur krassen sozialen Realität. Ähnliches passiert im Kleinen Haus des Düs­seldorfer Schauspiels, wo Felix Rothenhäusler als deutschsprachige Erstaufführung «Delhi, ein Tanz» inszeniert: ein Stück in sieben Szenen oder sieben Stücke, verbunden zu einem szenischen Ablauf, wie Iwan Wyrypajew es betrachtet.

Weshalb sich auch nach jeder Episode das Ensemble am Spielrand versammelt, zum Applaus vom Band verbeugt und abgeht. In die jeweiligen Begegnungen der sechs Personen – Mutter und Tochter Ekaterina, beider Freundin, Ekaterinas Geliebter Andrej, dessen Ehefrau sowie eine Krankenschwester – bricht ein Moment Musical ein. Und behauptet eine Gegenwelt zum Tod, der reihum gestorben wird, reißt gewissermaßen den Himmel auf und lässt ein Anderes erahnen: wuchtig zart, gnädig und erhaben. Das kann eine brausende Orgel sein, ein Chanson der Knef oder melodramatisch und melodisch satte Fülle (Musik Matthias Krieg).

Die akustische Überwölbung ...

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Theater heute Mai 2012
Rubrik: Chronik, Seite 58
von Andreas Wilink

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