Doppeltes Leid

Stuttgart Schauspielhaus, Nord, Große Bühne: Franz Xaver Kroetz/Stephan Kaluza «Stallerhof/3D» (U)

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Die Familie als Nährboden von Zwang, Gewalt, Missbrauch. An diesem Abend präsentiert sich die soziale Institution gleich zweimal von ihrer schlimmsten Seite. Da ist zunächst die Bauernfamilie Staller, die nebst Knecht das quadratische Podest einnimmt, das Bühnenbildner Oliver Helf auf der großen Bühne der Nord-Spielstätte des Stuttgarter Schauspielhauses aufgebaut hat. Auf dem Podest die Andeutung einer engen Bauernstube, darin die vier Figuren, jede an ihrem eigenen Tisch.

Im ersten Teil seines Doppelabends zeigt Regisseur Stephan Kimmig anhand von Franz Xaver Kroetz’ Frühwerk «Stallerhof» mit viel Präzision ein in allen Belangen beschränktes Milieu. Man lebt zusammen, aber nicht miteinander. Sprache und Empathie sind bei den Bauersleuten (Sebastian Kowski, Marietta Meguid) auf ein Minimum reduziert. Fast zwangsläufig finden die Erniedrigten und Beleidigten zueinander: der Knecht Sepp und die geistig behinderte Stallertochter Beppi. In Kroetz’ kritischem Volkstheater bleibt es nicht bei der anfänglichen Freundschaft, der ältere Mann vergeht sich an dem hilflosen Mädchen und schwängert es – an der heiklen Konstellation des Stücks hat sich 40 Jahre nach der Uraufführung nichts ...

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Theater heute Dezember 2012
Rubrik: Chronik, Seite 56
von Marius Nobach

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