Die Jagd nach der gläsernen Kuh

Interim im Messebau: Das Schauspiel Leipzig bespielt sanierungsbedingt das Gelände der ehemaligen DDR-Landwirtschaftsausstellung. Der Agra-Messepark wird zur Ag(o)ra. Zum Start gibt es drei Uraufführungen

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Die Agora ist manchmal ein leeres Feld. Voll Enthusiasmus schreiten vor dieser leeren Fläche, die vermutlich eher als Parkplatz denn als landwirtschaftliche Nutzwirtschaft fungiert, Annett Sawallisch, Julius Forster und Denis Petkovic, um das versammelte Publikum von der Überlegenheit der sozialistischen Produktionsmethoden mit übergroßen Rüben und Kartoffeln zu überzeugen. Sie träumen von einer gläsernen Kuh, während im Hintergrund Teresa Schergaut und Dirk Lange eine riesige Kiste durch die Gegend bugsieren.

Das braucht viel Grimassenkunst und sozialistischen Enthusiasmus, wie man ihn heute nur noch von amerikanischen Überzeugungscoaches kennt. Es ist eben nicht alles besser heute, nur anders.

Statt Austausch, auf den das Agora-Motiv verweist, also zunächst Überzeugungspropaganda aus dem Jahr 1981, als hier tatsächlich die 28. Landwirtschaftsausstellung der DDR stattgefunden hat. Dafür wurde der Agra-Messepark 1952 gebaut. Heute lauscht das Schauspiel Leipzig szenisch dem Echo dieser Vergangenheit nach. Es hat eine der Hallen in Beschlag genommen, wo ansonsten Trödelmärkte und das Wave-Gotik-Treffen stattfinden, denn im Schauspielhaus muss die Elektrik überarbeitet werden. Im ...

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Theater heute Juni 2025
Rubrik: Aufführungen, Seite 21
von Torben Ibs

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