Bürgerliche Hausmusik
Das bildungsbürgerliche Publikum ist überall: Nicht nur auf die Hinterbühne hat es sich verdoppelt, sondern sogar bis auf die Bühne verlängert. Dort unten, eingekesselt zwischen den beiden Tribünen, lauschen zwei seriös gekleidete Paare einem Klavierspieler (Matthias Herrmann) und einem Sänger (Tomas Möwes) bei der Darbietung deutscher Volkslieder. Kurz darauf darf der gesamte Saal in Reinhard Meys «Apfelbäumchen»-Schnulze einstimmen, denn Gerhart Hauptmanns Familie Vockerat feiert die Taufe des ersten Enkels.
Wie ein bedrohlicher Stern geht über der Bühne in kindlich verzierten Holzbuchstaben der Name des neuen Stammhalters auf. So verzückt die Großeltern mitsingen, so zerstreut wirkt das junge Elternpaar: Übertrieben fürsorglich tätschelt der junge Vater Johannes seiner ständig auf das Babyphone schauenden Frau Käthe den Rücken. Klar, dass hier so einiges im Argen liegt und die bevorstehende mehrwöchige Zusammenkunft der Familie (bei Hauptmann in einem einsamen Landhaus am Müggelsee) ein böses Ende nehmen wird: Johannes, einst Theologe, verfasst inzwischen religionskritische Schriften, befindet sich derzeit jedoch in einer Schreibkrise. Er hadert mit seiner Rolle als ...
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Theater heute Februar 2015
Rubrik: Chronik Bochum, Seite 49
von Natalie Bloch
In «Frau Müller muss weg» von Lutz Hübner und Sarah Nemitz liefert ein Stellvertreterkrieg den dramatischen Stoff: Eltern, die sich für ihre Kinder ereifern. Schauplatz ist ein Klassenraum, in dem eine Gruppe Eltern der Lehrerin ihrer Grundschulkinder den Prozess machen will. Geschrieben und uraufgeführt wurde das Erfolgsstück 2010 in Dresden, nachgespielt...
Ein paar Tische auf einer sonst leeren Bühne, über der ein Billboard im Stil der 1950er Jahre schwebt und das auf Englisch und in wechselfarbigen Neon-Buchstaben zum Leben in den Vororten einlädt («Train fares are SO CHEAP») – das ist alles, was Intendant Enrico Lübbe und sein Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt brauchen, um «Zeiten des Aufruhrs» in Szene zu setzen....
Die Regieanweisungen in Hjalmar Söderbergs «Gertrud» sind äußerst akkurat. Keine schlichten Hinweise, dass man sich etwa in einem Salon befände, nein, jede bauliche Eigenart, jedes Einrichtungsstück von besagtem Salon wird genau beschrieben. «Über der Kommode: ein Empirespiegel mit Haltern für zwei Kerzen.» Zwei Kerzen, wichtig. Weil aber Annette Kurz und Karl...