Verträumte Nabelschau
Nahezu am selben Novembertag, als dieses Stück eines jungen iranischen Autors in Köln seine Uraufführung erlebte, betrat ein bis an die Zähne mit Schusswaffen und Bomben bewaffneter Achtzehnjähriger im münsterländischen Emsdetten seine ehemalige Schule, um rund 30 Personen zu verletzen und schließlich sich selbst zu töten. Ob in diesem Fall die Fiktion die Realität blamiert oder umgekehrt – das ist die Frage.
Der Achtzehnjährige aus Emsdetten hatte für seine Tat ein einfaches Motiv: seine Verletztheit; das unwiderlegbare Gefühl, ein Verlierer zu sein – für das er andere büßen ließ. Er wollte, schrieb er im Internet, dass man ihn «nicht vergisst». Diesen Wunsch hegen wohl alle Menschen, die ähnliche Taten vollbringen.
Das Schauspiel Köln hat den 1978 in Shiraz geborenen Amir Reza Koohestani, dessen persische Performances «Dance on Glasses» und «Amid the Clouds» über zahlreiche europäische Festivals von Theater der Welt bis zum Kunstenfestival tourte, für ein Projekt gewonnen. Dessen Held Johann ist ein junger Selbstmordattentäter, der außerordentlich hehre Motive vorschützt: Als eingefleischter Vegetarier möchte er ein Zeichen setzen; seine Bombe zündet er in einer Filiale der ...
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Ödi...