Stuttgart: In der Wiederholungsschleife
11. März 2004: In Madrid ist es 7.39 Uhr, als die erste Bombe hochgeht. Neun weitere Detonationen folgen: in vier Vorortzügen, in denen dicht gedrängt Pendler zur Arbeit, Kinder zur Schule und Studierende zur Uni fahren. 191 Menschenleben forderte das Attentat. Noch Jahre danach wird ein Vater immer wieder die Bahnstrecke abfahren, in der Hoffnung, seine Tochter doch noch wiederzusehen. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Sie gehörte zu jenen Opfern, deren Körper in kleinste Teile zerfetzt wurden.
In Roland Schimmelpfennigs neuem Theaterstück «100 Songs», das jetzt im Kammertheater des Stuttgarter Schauspiels als deutsche Erstaufführung in einer Inszenierung des Autors Premiere hatte, geht es auch um ein Attentat, das einen Zug in die Luft sprengt. Das Ereignis selbst wird am Ende allerdings nur durch ein paar Theaterblutspritzer angedeutet. Denn «100 Songs» befasst sich mit den Minuten davor. Die Zeit scheint eingefroren. Die Opfer und die Menschen, die zufällig Zeuge der Explosion werden, berichten, was ihnen oder anderen in diesen drei Minuten vor 8.55 Uhr, dem Zeitpunkt der Katastrophe, durch den Kopf geht – und das in lebensnaher praller Banalität.
Da kreuzen sich zufällig die ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute August/September 2019
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Verena Großkreutz
Falk Schreiber Herr Schwandt, Mitte Juni kündigten Sie an, 2020 als geschäftsführender Direktor in Lübeck zurückzutreten. Was ist da passiert?
Christian Schwandt Ich habe gekündigt, weil das Theater Lübeck heute ein schlecht finanziertes B-Theater ist. Bisher war das gute zweite Liga, weil wir immer noch genug Geld zur Verfügung hatten, um immer wieder...
Klingt entschieden endzeitlich, was sich Christoph Marthaler als Neuproduktion für die Ruhrtriennale vorgenommen hat: «Nach den letzten Tagen. Ein Spätabend». Die Musik dazu «erklingt in einem imaginären Parlament, in dem Abgeordnete dokumentierte Reden aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, der Gegenwart und der nahen Zukunft halten, die katastrophale...
Ein «Fatzer» ist im Augsburger Dialekt ein Schwätzer, ein Aufschneider. Brecht hat seiner Figur einen wahrlich sprechenden Namen gegeben. Der ichsüchtige Spötter redet und redet und geht doch unter. Er steigt aus dem Krieg aus, ein Deserteur. Lang ist’s her, der Erste Weltkrieg, und lange hat Brecht an diesem Projekt vom «Untergang des Egoisten Johann Fatzer»...
