Schöpfung der Menschlichkeit
Langsam, fast vorsichtig nähert sich Athene. Über einen Steg zwischen den Zuschauern zur Bühne, wo ein junger Mann sitzt, auf dem Boden, und wartet: Orest.
In der Nähe liegen schlafend – oder tot? – weitere Personen, während er ruhig der Göttin seine Geschichte schildert: vom Vater Agamemnon, der auf göttliches Geheiß die Tochter Iphigenie opferte; der wiederum bei der Rückkehr aus dem Krieg von seiner Gattin Klytaimestra ermordet wurde; wonach auf Apolls Befehl Orest selber seine Mutter tötete; so dass er jetzt an Athene appelliert: «Fälle du das Urteil, ob das rechtens war.» Doch auch die Göttin der Weisheit vermag den Fall nicht zu lösen und beruft ein unabhängiges Gericht.
Die Schlüsselszene der «Orestie» vom Schluss schon als Prolog – so erscheint alles Folgende nicht mehr wie der von Aischylos wirkungssicher arrangierte, mordlüsterne Thriller aus Rache und Revanche. Sondern als analytische Anamnese einiger vom selbstzerstörerischen Strudel aus Schuld und Sühne gezeichneten Menschen. Johan Simons und sein Dramaturg Paul Slangen wollen verstehen. Nicht vorführen.
Dass die «Orestie» mit ihrer Endlosspirale aus Gewalt und Vergeltung, nicht zuletzt in göttlichem Namen, die ...
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