Politische Kapriolen, fabelhafte Fluchten

Der Heidelberger Stückemarkt 2019 und die Lust am Erzählen

Theater heute - Logo

Vor zwei Jahren stand in Heidelberg ein 64-Jähriger vor Gericht, dem Amtsanmaßung, Titelmissbrauch und versuchte Nötigung in mehreren Fällen vorgeworfen wurde. Der Mann hatte sich als Bürgermeister ausgegeben und honorige Heidelberger erpresst: Er verlangte von ihnen Irrsinnssummen, wenn sie ihm nicht eine beglaubigte «Gründungsurkunde» der Bundesrepublik Deutschland und des Bundeslandes Baden-Württemberg zuschicken würden. Von Anwälten wurde eine «Zulassung der Militärregierung» eingefordert. Und das innerhalb von 72 Stunden. Sonst ...

!

Der Angeklagte war überzeugter «Reichsbürger», mithin einer, der auf die aktuelle freiheitlich-rechtliche Grundordnung pfeift und überhaupt der Meinung ist, noch immer in den Grenzen des Kaiserreichs von 1871 zu leben. Die Bundesrepublik hält er für unrechtmäßig, seine antidemokratische und rassistische Gesinnung unterscheidet ihn kaum von den Nationalsozialisten, die er allerdings, monarchietreu bis in die Einge­weide, auch nur schräg von der Seite ansieht. Der Heidelberger war dabei noch relativ «zahm»: Er wollte nur Geld; andere Gesinnungsgenossen, denen es an Besinnung mangelt, greifen da auch schon mal zur Flinte und ballern von ihrem ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juni 2019
Rubrik: Festivals, Seite 30
von Bernd Noack

Weitere Beiträge
Mitte im Untergangs­rausch

Au weia. Hat man so etwas nicht auch schon gesagt? Vom «blauen fleur de sel» geschwärmt, den Wein als «lecker» gepriesen, womöglich über die Vorzü­ge von Dinkel referiert? Über das Posing durch Postings auf sozialmedialen Kanälen gelästert, jemanden vorschnell des Antisemitismus verdächtigt, den womöglich einzigen Homosexuellen auf der Party ausdrücklich um seine...

Der dressierte Mensch

Von wegen geschundene Kreatur und expressiver Leidensmann. Steven Scharf ist als Woyzeck nicht nur ein Baum von einem Mann, er hat auch so gar nichts Unterwürfiges. In den ersten 20 Minuten zerlegt er mit beeindruckender körperlicher Präsenz erst einmal in aller Ruhe die Bühne. Er reißt das rot-weiß-gestreifte Zelt her­unter, das aus dem Wiener Akademietheater eine...

Neue Stücke · Aufführungen (6/2019)

Neue Stücke

Ganz ohne Quote hat die Jury der Autorentheatertage dieses Jahr nur Werke von Autorinnen ausgewählt. In «ruhig Blut» 

von der studierten Philosophin (und Yoga-Lehrerin) Eleonore Khuen-Belasi denken drei Frauen in der Tradition von Beckett und Schwab über Welt und Wandel nach, die Uraufführung inszeniert Clara Weyde in Koproduk­tion mit dem Schauspiel...