Nach mir die Wut

Euripides «Troerinnen» im depot 1 Köln

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Rot oder grün? Farblich aufgeteilt hat Lucia Bihler ihre Inszenierung von Euripides’ unglückseligen «Troerinnen», die von den Griechen versklavt, vergewaltigt, ihrer Kinder beraubt werden. Aufkleber schicken das Publikum in verschiedene Zeiten: Die rote Gruppe landet im Saal unter Kopfhörern, bei Kassandra (Alina Heine), die, kurz vor ihrem Tod, in die Zukunft sieht, verhüllt in ein dramatisch rotes Tüllgewand (Ran Chai Bar-Zvi). In Großaufnahme ist dahinter ihr Mund projiziert, je größer, desto unerhörter.

Pathetische Sprachfetzen der Euripides-Bearbeitung von John von Düffel flüstert sie ins Zuschauer -ohr: «Heute ist der letzte glückliche Tag.»

Durch eine kleine Tür sieht man hinter der Bühne einen steten Strom der grüne Zuschauergruppe vorbeiwandern oder Helena knutschend mit Paris posieren. Ästhetisch überwältigend ist das, aber sprachlich ziemlich reduziert. In elliptischen Sätzen zeigt Kassandra die Griechen als fletschende Rattenhorden, ruft wie ein kleines Mädchen nach ihrer Mutter, verwandelt sich im Traum dann selbst in eine reißende Hündin, wie um die antike Opfererzählung zu überwinden. Am Ende der Szene erscheinen statt des Munds ihre Augen. Fast verführerisch ...

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Theater heute Juli 2023
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Dorothea Marcus

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