Im Revolutionsvarieté
Die Dramen sind nur so gut, wie ihre Zeiten schlecht sind. Wer wusste das besser als Heiner Müller? Mit dem Untergang der DDR sei sein Stoff verschwunden, ließ Müller schon kurz nach der Wende wissen. Der Stoff eines Landes, dessen Wirklichkeit bereits im landläufigen Sinne des Wortes «dramatisch» war, konfliktgesättigt, voller Zermürbungskämpfe in der Kluft zwischen utopischem Anspruch und Alltagsrealität, reich an privaten Tragödien. Der Mauerfall hatte diese scharfen Konturen verwaschen.
In der bundesrepublikanischen Alltäglichkeit der 1990er lösten sich die manifesten Konflikte um politische und ökonomische Ressourcenverteilung ins fluide Spiel der Distinktionen und feinen Unterschiede auf. Mit Weitsicht prognostizierte Müller, dass nach dem Ende der DDR eine Ära anbreche, in der von Shakespeare allenfalls noch die Komödien gespielt würden. Der Satz galt ihm selbst. Befriedete Zeiten sind bunt oder blass, je nach Betrachtung, aber ganz sicher nicht blutrot.
Tatsächlich antizipierte Müller recht gut, wie auch die Rezeption seines Werkes weiterverlaufen würde. Wichtige Inszenierungen der letzten Jahre haben fast schon ostentativ eine Leichtigkeit gesucht, maßen eher ...
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Theater heute November 2015
Rubrik: Aufführungen, Seite 20
von Christian Rakow
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