Der Cliffhanger
In Hamburg scheint an diesem späten Freitagnachmittag die Sonne. Vor dem Hauptbahnhof steht ein langgestrecktes weißes Zelt, davor ein Schild: «Wir nehmen KEINE Kleiderspenden entgegen.» Fröhliche junge Frauen in gelben Helferwesten machen Quatsch mit fröhlichen kleinen Kindern von dunkler Hautfarbe. Junge Männer tigern rauchend auf und ab.
Von der Bank auf dem Mittelstreifen kreischt die Stimme eines Verrückten: «Ihr Deutschen mit den Ausländern, seid ihr waaaahnsinnig?»
Seit ein paar Tagen nimmt das gegenüberliegende Schauspielhaus Ausländer auf, Flüchtlinge, die am Hauptbahnhof «gestrandet» sind, wie es euphemistisch heißt. Sechs Tage vor Spielzeitbeginn hatten rechte Gruppierungen einen «Tag der Patrioten» ausgerufen, in der Innenstadt beharkten sich rechte und linke Demos für oder wider eine «Willkommenskultur», während am Hauptbahnhof die überfüllten Züge einrollten. Man entschied spontan: Wir öffnen das Haus. Die Mitarbeiter, Schauspieler, Dramaturgen, Techniker besorgten Matratzen, Kleider und Essen, sie führen zur Dusche durch die labyrinthischen Gänge des Hauses und bespaßen Kinder, denen die chaotische Reise in den Knochen sitzt. «Wenn man anfängt nachzudenken, wie man ...
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Theater heute November 2015
Rubrik: Aufführungen, Seite 16
von Barbara Burckhardt
Es regnet, als ich Ayham Majid Agha auf der Terrasse der Gorki-Kantine treffe. Der 35-jährige Schauspieler und Theatermacher sitzt als einziger unter einem der Sonnenschirme und blättert im vielsprachigen Textbuch von Elfriede Jelineks/Aischylos «Die Schutzbefohlenen», das Ende Oktober in der Regie von Sebastian Nübling Premiere haben wird; gerade kommt er von den...
Gent müffelt. In den engen Straßen lehnen reihenweise Abfallsäcke an den Häuserwänden. Mitten am Tag. Die Müllabfuhr streikt. Sieht auch nicht schön aus, das Innere nach außen gekehrt, in Plastik verpackt. Zum Glück ist es Ende Mai nicht heiß. Der Soundtrack dazu: Bohren, Schleifen, Klopfen, Rattern, in jeder Straße eine Baustelle. Eine schicke neue...
Bingo. Einer hat immer Glück. Zumindest im Spiel. Dafür scheitern sie in der Liebe hier eigentlich alle. Schließlich sind wir bei Tschechow und der Unmöglichkeit des Lebensglücks. Semjon liebt Mascha. Mascha liebt Kostja. Kostja liebt Nina. Nina liebt Trigorin. Der liebt ein bisschen ihre Jugend und auch ein bisschen die Arkadina, vor allem aber sich selbst. Es ist...
