Aus der Praxis der Produktion

Original, Kopie oder Zitat? Es sind gerade die Differenzen, in denen man dem Gesehenen auf die Spur kommt: Überlegungen zum Appropriationstheater

Das Original ist eine Idee des 19. Jahrhunderts. 1886 kam es zur «Berner Übereinkunft», einem multilateralen Abkommen über das Urheberrecht. Angeschoben von niemand Geringerem als Victor Hugo, der selbst sehr klar zwischen dem materiellen Buch und dem ihm innewohnenden freien Gedanken unterschied. So begann die Einführung des Urheberrechts als Satzung und somit die Setzung des Autors als genialischem Erzeuger. Zuvor gab es in den Jahrhunderten zig Adaptionen, Übermalungen, Nachahmungen von Stoffen, Stücken, Mythen und Bildern.

Die meisten sind im Fundus der Theater- und Kunstgeschichte vergessen und in den Regalen der Mittelmäßigkeit abgelegt, andere wie Shakespeare, der sich durch zahlreiche Werke inspirieren ließ und verschiedene Werke auch gerne zu einem neuen kombinierte, wie zum Beispiel Aischylos «Orestie» und die «Essais» von Montaig­ne für den «Hamlet» oder die Erzählungen von Matteo Bandello, Luigi da Porto, Arthur Brooke und Ovids «Py­ramus und Thisbe» aus dessen «Me­tamorpho­sen» für «Romeo und Julia». 

Sehr interessant in diesem Kontext, zumal es DAS Stück über die menschliche Replica eines göttlichen Originals ist: «Amphitryon». Diesen Stoff gibt es unter anderem von ...

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Theater heute März 2018
Rubrik: Essay, Seite 49
von Philipp Preuss

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