Abstieg einer Generation

Paul Brodowsky «Lüg mir in mein Gesicht» (U, Kleines Haus)

Theater heute - Logo

Eine Scheinhochzeit. Das ist ein Anlass, bei dem der Prosecco in der Regel wärmer ist als die Stimmung. Zwei Menschen küssen sich, nicht aus Liebe, sondern weil sie sich voneinander Sicherheit versprechen.
Tilman und Sveta sind in der Straßenbahn aufeinander gestoßen. Ein einsamer Ex-Langzeitstudent und eine heimatlose Weißrussin, die bei Rebecca Klingenberg ständig Worte verschluckt, so sehr hetzt sie dem Glück hinterher.



Tilman (Mathias Lodd) hat mitten in der Krise seinen ersten Job hingeschmissen – und das, obwohl er in seiner Jugend brav auf Helmut Kohl und auf den Segen der Informatik gesetzt hat. Doch er erträgt es nicht, dass seine Zukunft auf dem Prüfstand der Chefin steht: «Plötzlich wurde mir völlig unklar, warum ich 70 Stunden und mehr die Woche diesen Job machte, meine Lebenszeit in die Optimierung einer Fahrkartenautomaten-Software steckte.» Also taucht er in prekäre Verhältnisse ab, stellt sich mit zwei Hunden und Burger-King-Becher vor den Supermarkt und bettelt um Futter. Paul Brodowskys Komödie «Lüg mir in mein Gesicht» erzählt von Menschen, die sich an den Rand der Mittelschicht klammern. Der 30-jährige Autor wohnt seit letztem Sommer in Freiburg; er hat eine ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juli 2010
Rubrik: Chronik, Seite 51
von Stephan Reuter

Vergriffen
Weitere Beiträge
Die andere Seite der Geschichte

Seitdem ich in Deutschland bin, habe ich das deutsche Theater, wie ich es erlebe, oft kritisiert und dem englischen Theater gegenübergestellt. Ich habe gesagt, das deutsche Theater ist «tief», philosophisch und politisch im Gegensatz zum englischen Theater, das wegen des anspornenden ökonomischen Drucks auf Publikumserfolge aus ist. Andererseits habe ich oft...

Selbst­verwirklichungs­fetischisten­sau?

Der Titel der fünften Wiener Pollesch-Arbeit klingt gut, hat mit dem Stück aber weder inhaltlich noch formal etwas zu tun. «Peking Opel» handelt nicht von der Krise bei General Motors, sondern von der Krise des Dramas, und Pollesch bedient sich dafür nicht etwa altehrwürdiger asiatischer Theaterformen, sondern greift abermals auf den Hollywood-Fundus und aktuelle...

Das gelobte Land: Gier

Die Umgebung von Lodz … macht den Eindruck eines frühkapitalistischen Heer­lagers. Hinter diesem gigantischen Marketing-Fresko ist die normale Welt kaum noch zu erkennen.» So beschrieb der polnische Dramatiker Andrzej Stasiuk letzten August den merkantilen Flair der ehemaligen Textil- und Kapitalismusmetropole des 19. Jahrhunderts. Optimistisch erscheint das im...