Radikale Nomadin

Letzte Runde für die Festivalleiterin Virve Sutinen: ein Gespräch über die Choreografin Cristina Caprioli

Virve Sutinen, die Choreografin Cristina Caprioli, die Sie im Rahmen der letzten von Ihnen kuratierten «Tanz im August»-Ausgabe mit einer Retrospektive ehren, gehört zu den fast schon wieder vergessenen Heldinnen des postmodernen Tanzes. Welche Bedeutung hat die in Italien geborene, in Schweden eingewanderte Künstlerin? 
Vor allem auf die nordischen Länder hat sie einen immensen Einfluss. Sie ist eine zentrale Kraft, die den Typus der postmodernen Tanzschöpferin hervorgebracht hat.

Sie bündelt das postmoderne und das zeitgenössische Denken der Bühne, indem sie wie kaum eine andere den Begriff der Choreografie hinterfragt hat: Was kann sie und was kann sie sein? Wie sollte sie präsentiert werden? Ich meine, allein dank dieser Fragen ist sie schon eine sehr radikale Künstlerin. Und es gibt einen Grund, warum sie, wie einige andere Künstlerinnen auch, Rosemary Butcher etwa, international nicht gesehen werden – eben weil Cristina Caprioli ihren Schwerpunkt auf eine Art von radikaler Diktion legt, die spätere Generationen inspiriert und intellektuell herausfordert, aber vielleicht nicht die gegenwärtig Tonangebenden.

Wann sind Sie ihr begegnet?
Ich hatte nach meinem Studium an der NYU ...

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Tanz August/September 2022
Rubrik: Tanz im August, Seite 6
von Arnd Wesemann

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