Marco Goecke: «Der Liebhaber»
Das Kleid aus Rohseide ist «abgenutzt, beinahe durchsichtig». An den Füßen billige Ladenhüter aus Goldlamé, aber mit hohen Absätzen. Auf dem Kopf trägt die 15-Jährige, so beschreibt Marguerite Duras ihren ersten Auftritt im Roman «Der Liebhaber», einen Männerhut mit flacher Krempe, einen «weichen rosenholzfarbenen Hut mit einem breiten schwarzen Band», unter dem die langen Zöpfe hervorschauen.
Ihn trägt Duras’ Alter Ego auch im gleichnamigen Ballett, das Marco Goecke vorerst als Stream des Staatsballetts Hannover vorgestellt hat.
Viele Wiedererkennungseffekte gestattet sich Goecke nicht. Sein Mädchen ist längst aus den Kinderschuhen herausgewachsen, und an den schwarzen Hosenbeinen erinnern allenfalls aufblitzende Pailletten daran, dass da mal mehr Glamour war. Und doch erscheint Sandra Bourdais ganz wunderbar wie eine verjüngte Wiedergängerin der Autorin, auch wenn ihr Äußeres schon das Selbstbewusstsein einer erwachsenen Frau signalisiert. Das Begehren ist ihr jedenfalls bereits ins Gesicht geschrieben, und auch der Körper kaschiert keineswegs ein Verlangen, für das der Choreograf immer wieder eine faszinierende, nachgerade fiebrige Formensprache findet.
Goecke verortet sein ...
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Tanz April 2021
Rubrik: Kalender, Seite 29
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