Raphael Hillebrand
Meine tänzerische Heimat ist Hip-Hop. Wenn ich auf eine Hip-Hop-Jam gehe, kenne ich die Codes und Verhaltensregeln. Sie bilden die erste Schicht meiner künstlerischen Identität. Jede weitere Schicht, die sich im Lauf der Jahre darübergelegt hat, musste sich mit Hip-Hop vergleichen, an ihm reiben und schließlich Kompromisse finden. Heute fühle ich mich in vielen tänzerischen Kontexten wohl oder sogar zu Hause. Aber alles basiert auf meiner Identität als Teil der Hip-Hop-Kultur.
Sie war die erste, die mich gefordert, geprüft und letzten Endes aufgenommen hat, so wie ich bin: So fühlt sich Heimat an.
Der Begriff Leitkultur stößt mich ab. Das Konzept, die eine über die andere Kultur zu stellen, finde ich falsch. Kulturen sind Hybride, sich ständig verändernde Gebilde. Kulturen passen sich immer Lebensrealitäten an. Eine Leitkultur dreht dieses Konzept um. Dann soll der Mensch einer bestimmten Kultur folgen, obwohl Kultur erst durch das Handeln des Menschen entsteht. Die Spannung zwischen Kulturen ist der fruchtbarste Ort für Kunst.
Mir wurde oft erzählt, dass meine Heimat ein fernes Land sein muss, weil ich dunkle Haut habe. Den Menschen ist dabei nicht bewusst, woher ihr Konzept ...
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Tanz Jahrbuch 2018
Rubrik: Identität, Seite 114
von Raphael Hillebrand
Heimat ist für mich das, was mein Körper erkennen und verarbeiten kann.
Heimat ist das, was mein Körper enthält.
Heimat ist die natürliche Verbindung mit dem Unbekannten.
Heimat is what makes me clang.
Jone San Martín, Tänzerin, Dance On Ensemble, Berlin
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer mussten sich bis in die Wüste namens «Ende der Welt» verirren, um ihm zu begegnen. Am Horizont ragt vor den zwei Freunden plötzlich eine hagere Gestalt mit Spitzhut und knielangem Rauschebart auf. Nach dem ersten Schreck befindet Lukas: «Außer seiner Größe sieht der Riese ja ganz manierlich aus! Ich glaub, der ist völlig...
Für mich ist Heimat natürlich mein Geburtsland, die Tschechoslowakei, und: ihre Landschaft, ihre Sprache (Tschechisch und Slowakisch), ihre Literatur (Karel Čapek, Jaroslav Seifert, Bohumil Hrabal, Milan Kundera), ihre Musik (Antonín Dvořák, Bohuslav Martinů, Leos Janáček), ihre Volks-tänze und die Malerei (František Kupka, Josef Šíma, Jan Koblasa, Zdeněk Sýkora)....
