Ohne Filter

Die hehre Kunst und die Frage, wie man seine Miete bezahlen soll: Mit gnadenloser Ehrlichkeit wurde die Nordirin Oona Doherty zum Star der zeitgenössischen Tanzszene. Und geht jetzt erstmals den Schritt zum Ballett

Der Tonfall ist natürlich ganz reizend. Oona Doherty spricht im ge­dehnten, stoßhaften Slang der irischen Arbeiterklasse, mit freundlich akzentuierten Vokalen, immer ein wenig lauter als es nötig wäre. Sie sagt «Dens», wenn sie von Tanz spricht, «Mani», wenn es um Geld geht, man kann nicht anders, man muss sich sofort mit dieser Unmittelbarkeit identifizieren.

Aber Doherty, geboren 1986 in London, aufgewachsen im nord­irischen Bangor, 20 Kilometer nordöstlich von Belfast, ist nicht nur der Link der Tanzwelt zum Proletariat, sie ist auch eine Künstlerin, die extrem wach reflektiert, was um sie herum passiert. «Tanz» und «Geld» sind Begriffe, die im Gespräch mit ihr häufig fallen, oder: die hehre Kunst und die Frage, wie man seine Miete bezahlen soll. Im Zentrum ihres jüngsten Stücks «Navy Blue», erstaufgeführt zur Eröffnung des «Internationalen Sommerfestivals» in Hamburg auf Kampnagel und im ­November in Österreich und Frankreich zu sehen, ertönt eine ­lange Etataufstellung der Produktion, gelesen von Doherty selbst: 3000 Eu­ro für die Kostüme, 22 800 Euro Reisekosten, 10 000 Euro Honorar für die Choreografin, insgesamt 291 656 Euro. Wer über Geld redet, macht sich nackt.

Doherty ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Tanz 11 2022
Rubrik: Menschen, Seite 20
von Falk Schreiber

Weitere Beiträge
Zeigt her eure Füße

Wer sich mit Gesundheit und Medizin im Tanzbereich beschäftigt, kommt um den Namen Elisabeth Exner-Grave nicht herum. Die Trägerin des «Deutschen Tanzpreises 2016» ist Gründungsmitglied von «Tanzmedizin Deutschland» («ta.med»), gab das Standardwerk «TanzMedizin» heraus und baute als Oberärztin über zwölf Jahre das Kompetenzzentrum für Tanzmedizin...

Klangprozess

Sie haben viel mit Jiří Kylián zusammengearbeitet, Kreationen fast durchweg fürs Nederlands Dans Theater. Zwei seiner Choreografien, «Tar and Feathers» von 2006 und «Gods and Dogs» von 2008, sind jetzt noch einmal bis zum 3. Dezember innerhalb des NDT-Programms «Celebrating an Evening with Jiří Kylián» zu sehen – beides Arbeiten, zu denen auch Sie Musik...

Childs, Cherkaoui, Vignolle, Martinez «Aqua»

Schönes Thema in Zeiten der Dürre: Wasser, «Aqua». Im neuen Programm der Kompanie Introdans aus Arnheim, das auch in Remscheid gastiert, lassen Sidi Larbi Cherkaoui, Jorge Pé-rez Martinez, Manuel Vignoulle und Lucinda Childs die Bewegung fließen, plätschern und wallen. Während das bei den drei Männern und ihren Stücken «Harbor Me», «Azul» und «Earth» vor allem zu...