Mehr Respekt

Der ehemalige Tänzer des Hamburg Ballett, Ralf Dörnen, Intendant des Theater Vorpommern, über seine Erfahrungen mit John Neumeier und «Othello»

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Ralf Dörnen, Sie haben 1985 bei der Uraufführung den «Wilden Krieger» getanzt. Wie hat John Neumeier Ihnen damals die Rolle erklärt? 
Es gibt ja zwei Rollen, die klischeehaft oder trugbildnerisch gearbeitet sind, eben der «Wilde Krieger» und «Primavera». Der Krieger ist das Bild, das sich Desdemona von Othello macht, die Primavera umgekehrt Othellos Projektion auf Desdemona. Genau das ist John Neumeiers Botschaft: dass man einen anderen Menschen nicht wirklich kennen kann, sondern ihn immer durch die eigene Brille sieht.

Die Klischees sind natürlich als Überspitzung, sozusagen Bilderbuchkarikaturen dargestellt – ich wurde erst schwarz, dann blau, dann silbern geschminkt. Das Entscheidende ist: Es sind keine realen Menschenbilder, sondern Projektionen aus dem Inneren der Figuren.

Fantasien, die Menschen sich zurechtlegen? 
Genau, Desdemona kennt keine schwarzen Krieger, also stellt sie sich Othello in den Umrissen vor, die als gesellschaftliche Erzählung kursieren. Das gleiche gilt für Othellos «Primavera», auch das ist ein Trugbild, eine Täuschung. Im Übrigen sterben diese Trugbilder am Ende, die Protagonisten werden im wahrsten Sinne des Wortes ent-täuscht, müssen der eigenen ...

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Tanz 1 2023
Rubrik: Hinter den Kulissen, Seite 49
von Dorion Weickmann

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