Besucherin im Korallenriff: «metakimosphere no. 4» von Johannes Birringer, Foto: DAP

Immersion

In das Bühnengeschehen eintauchen. Ästhetischer Zugewinn für den Tanz oder nur ein Symptom der Kontrollgesellschaft?

Du betrittst den großen Ausstellungsraum. Blau-rotes Licht leuchtet auf Stoffe, die Lautsprecher verkleiden. Auf einer Seite steht ein skelettartiges Kugelobjekt mit dünnen blauen Elektrolumineszenz-Fasern, die wie Dendriten leuchten.

Du bewegst dich zwischen den Lautsprechern hindurch, die in dem Stoffwald verteilt sind, und bemerkst die subtil wechselnden Klänge, die durch die Atmosphäre sickern wie Nebel, der sich langsam auf Ästen und Blättern niedersetzt.

Klickende Geräusche, kleine perkussive Laute wie Vogelschreie oder Flüstern des Winds, immer wieder arhythmisches Rauschen, langsam widerhallend.

Du nimmst das Licht wahr, ein schimmernd düsteres Grau, das Filmemacher lieben, wenn sie die Unschärfe der Konturen einfangen wollen. Dort drüben bewegt sich etwas, als wäre eine Gestalt hinter dem Stoff sichtbar geworden. Es war nur das maskierte Gespenst eines Tänzers. Hinten siehst du eine Musikerin, die Gedichte auf einer alten Schreibmaschine tippt. Ihre Finger hämmern auf die Tasten und erzeugen jene Klänge, die durch den Raum driften. Auf der anderen Seite entdeckst du ein treibendes Korallenriff, blaugrüne Unterwasserfarbe – nur eine digitale Projektion. Aber du willst dich ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Tanz Jahrbuch 2017
Rubrik: Labore der Zukunft, Seite 74
von Johannes Birringer

Weitere Beiträge
Ted Brandsen: Mehr Spektrum

Immer noch entwickelt sich das klassische Ballett weiter und entdeckt für sich neue Formen. Es ist die elaborierteste, die gehobenste Tanzform schlechthin. Man sieht Tänzerinnen und Tänzer, die Dinge bewerkstelligen, die sonst kein normaler Erdenmensch hinbekommen würde, und nicht selten blitzt ein göttlicher Funke auf. Aber beim klassischen Ballett geht es nicht...

Brigitte Fürle

Von solchen Freunden beziehungsweise Freundinnen hätte der Tanz gerne mehr. Seit 2013 leitet Brigitte Fürle die künstlerischen Geschicke des Festspielhauses St. Pölten. Seither geben sich hier die Größen der internationalen Szenen die Klinke in die Hand, für Auftritte und Residenzen. Fürle koproduziert Hofesh Shechter, Israel Galván, Lemi Ponifasio. Sie bietet den...

Giselle Leichtentritt: Der Sturm aus der Zukunft

«Уважающим себя хореографам следовало бы учитывать, что каждое па – это шаг в будущее. Chorégraphes qui se respectent devraient prendre en considération que chaque pas est un pas dans l’avenir.» Das ist ein Satz, den Serge Diaghilew, laut Boris Kochno, am 17. August 1929, also zwei Tage vor seinem Tod, in Venedig Kochno anvertraut haben soll & den ich, Giselle...