Gregor Zöllig «Winterreise»
Franz Schuberts «Winterreise» ist eine Wanderung zur Selbsterkenntnis. Hans Zender lässt in seiner Orchesterfassung die Melodien bersten im Lebenssturm. Diese angeraute Seelenmusik, gespannt zwischen die harschen Klangflächen der Bielefelder Philharmoniker unter Gregor Rot und den eher weichen Ton von Tenor Christopher Diffey, ist die ideale Grundlage für Gregor Zölligs aus trügerischen Träumen auf den harten Kern jeder Lebensreise fokussierte Interpretation am Theater Bielefeld.
Da durchschüttelt’s die Tänzerin gleich zu Beginn vor der eisgrauen Nebelwand aus Plastik, weht es Tanzende herein bis an die Rampenkante, wo sie flattern wie am Abgrund, Stunde der Wahrheit, und der ganze Film des Lebens läuft noch mal ab. Immer wieder referierend auf die in den Liedern gesetzten Bilder, bietet Zöllig Assoziationen eines Lebenslaufs. Da werden die Plastikbahnen zu Eissäulen, hinter denen die Geliebten erscheinen, von denen die Wanderer im Kuss wieder abgleiten, erstarrte Beziehungen. Noch einmal wiegen sich die Tanzenden wohlig zum «Lindenbaum», doch am Ende kauert sich jeder in sich zusammen, da verheißt das Lied die ewige Ruhe. Der Lindenbaum hängt längst kahl über Imme Kachels ...
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Tanz 1 2023
Rubrik: Kalender, Seite 34
von Andreas Berger
Die Uraufführung der spanischen Gastchoreografin Alba Castillo spinnt am Pfalztheater Elemente aus der japanischen Legende «Der rote Faden» mit Motiven des Märchens «Rotkäppchen» zusammen. Menschliche Verbindungen sind das Generalthema der Inszenierung.
Leise Klänge aus Rafael Anton Irissaris «Flowstone» lassen eine nostalgische Stimmung auf der in fahlgraues...
Als «mixed-race»-Tänzer, der seit über 25 Jahren mit John Neumeier arbeitet, kann ich nur sagen, dass es absurd ist, ihn in welcher Form auch immer mit Rassismus in Verbindung zu bringen. Als ich 14 Jahre alt war, hat er mich – den einzigen dunkelhäutigen Schüler der National Ballet School in Toronto – in seinem Stück «Yondering» besetzt. Als Tänzer beim...
Lang bevor Putin gegen die Ukraine losschlug, stand für John Neumeier fest: Die letzte Kreation seiner bald fünfzigjährigen Ägide am Hamburg Ballett wird Bachs Messe in h-moll unter dem Titel «Dona Nobis Pacem». Seit Februar 2022 hat das Werk eine Dringlichkeit gewonnen, die der so scharfsinnige wie feinfühlige John Neumeier im Voraus erspürt haben mag. Gleichwohl...