Götter & Clowns
Um zu verstehen, worauf wir auf den ersten Blick perplex oder belustigt reagieren, könnten wir in den DeLorean DMC-12 aus «Zurück in die Zukunft» steigen und den Fahrer bitten, uns im Jahr 2120 abzusetzen, falls es dann noch ein bewohnbares Fleckchen Erde gibt. Im Fokus unserer Neugier stünde nicht, was wir aus der Welt gemacht haben, das überlassen wir dem nächsten Konvoi bekümmerter Kolonisten. Wir hätten kleine Filmchen aus unserer Jugend dabei, um sie unseren Ururenkeln zu zeigen.
Auf einem davon hampelt ein junger Mann herum, schüttelt sich, springt hin und her, grimassiert übertrieben und hält sich dabei einen eiskugelähnlichen Gegenstand vor den Mund, der – erklären wir – anno dazumal gebraucht wurde, um die Stimme zu verstärken, die nur so das Klangmagma hinter ihm übertönen konnte, diese Mischung aus schwerem Wummern, vielleicht von einem Maschinenhammer, dem Jaulen von Katzen, die sich den Schwanz in der Tür eingeklemmt haben, und einem ohrenbetäubenden Donnergrollen, vor dem nur ein Faradaykäfig Schutz böte. Nach dem Ende der Filmchen, auf denen der immerfort zappelnde junge Mann wie in einem Daumenkino das Vergehen der Zeit illustriert, wenden wir uns in dem Hochgefühl, ...
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Tanz Jahrbuch 2019
Rubrik: Götter & Clowns, Seite 33
von Jean Rouaud
Ich habe keinen Talisman oder Glücksbringer, den ich vor Beginn meiner Auftritte einsetze. Ich glaube, das liegt daran, dass ich inzwischen gelernt habe, dass in den kostbaren Momenten vor Vorstellungsbeginn manchmal ganz von selbst völlig unerwartete Dinge passieren können. Ein Beispiel: Ein Freund kriegt kein Ticket für die Vorstellung, oder ein Kollege erkrankt...
Um es gleich zu sagen: Ich bin eine einfache Choreografin, keine, die sich mit der Politik in Brasilien besonders gut auskennt. Natürlich habe ich zu all den Vorfällen in meinem Land eine sehr persönliche Meinung, auch zum Präsidenten Jair Bolsonaro, der heute, am Tag unseres Gesprächs, 130 Tage im Amt ist. Aber ich denke, meine Meinung ist nicht sehr wichtig. Auch...
Zuerst dachte ich – nein, ich habe keinen Glücksbringer, den ich immer dabei habe, wenn ich eine Vorstellung tanze. Ich habe den Theater-Aberglauben hinter mir gelassen, als ich 1989 das Landestheater Castrop-Rauxel verließ, um Neuen Tanz in Arnheim zu studieren.
Gleichzeitig steckte ich aber in den Vorbereitungen für mein neues Solo «triton tanzt. twisted...
