Enrico Ticconi; Foto: Leon Eixenberger
Freiburg: «Rasp your soul»
Verletze deine Seele. Schwer. Beleidige sie. Bis aufs Blut. Wie auch immer man den Titel der jüngsten Arbeit der griechischstämmigen Choreografin übersetzen will – in Kat Válasturs Worten handelt es sich um ein Solo für einen «Humanoiden mit sensibler Haut». Diesen setzt sie auf der Bühne aus wie eine gewaltig klaffende Lücke zwischen Mensch und Kunst. Ein einsamer Solist, Enrico Ticconi mit angeklebtem Mikro an der Wange, kläfft in den vorsichtig dämmernden Raum hinein. Ein Hund. Ein Wolf.
Ein Löwe zuletzt, der seine schlanke Tänzerpranke hebt und den einsamen LED-Scheinwerfer über sich brüllend zum Schweigen bringt.
Enrico Ticconi ist der zornige Gebieter über das kleine Reich, das ihm der Konzeptkünstler und Olafur-Eliasson-Schüler Leon Eixenberger zubilligt, eine Matte aus Teppichfliesen, modern nur in den 1970er-Jahren, ein Tanzteppich aus fahlbunten Puzzleteilen. Darauf liegen ein paar gekochte Bambusstöcke, an denen Ticconi kauen- wird wie ein Primat, ein Mensch, der sich seines Menschseins entkleidet und nichts findet als die Gefangenschaft der Bühne – zur Uraufführung war es das HAU3 in Berlin –, um angestarrt zu werden als einer, der im eleganten Wiegeschritt sein ...
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Tanz Februar 2018
Rubrik: Kalender und Kritik, Seite 40
von Arnd Wesemann
«Wie war ich?» Wenn eine Tänzerin nach der Aufführung so fragt, geht es nicht unbedingt um Hebefiguren, Headspins oder Spagat. Genauso wichtig ist eine gute Vorstellung am Ende des Auftritts. Oder umgekehrt: Ein guter Auftritt nach der Vorstellung. Nicht erst im Cocktailkleid auf dem Empfang, sondern schon vorher, wenn sich der Vorhang hebt, zum Applaus. Wenn das...
Die Essenz einer guten Zeichnung – und vielleicht auch eines guten Gedankens – ist, einen Gegenstand auf die einfachste mögliche Form zu reduzieren und zugleich seine Substanz und seinen Sinn zu erhalten. Sagt Chuck Jones (1912 – 2002), vielfach preisgekrönter Zeichner und Regisseur von zahllosen Zeichentrickfilmen. Wie das geht, sehen wir in einem abstrakten...
Als Kind der 1970er- und 1980er-Jahre kommt man sich in Zürich nicht nur alt vor, wenn der Rücken zwickt beim Aufstehen. Ausgerechnet im Tanz fühlt man sich häufig zurückgeworfen in einen Diskurs, den zu überwinden schon die 68er geglaubt hatten. Da feiern Themen Wiederauferstehung, die ganz ohne Nostalgie an die Zwänge der 1960er-Jahre erinnern: Es geht um...