Zwei Schwestern
Zwei Frauen. Wenig scheint sie zu einen, zu grundverschieden sind ihr Charakter, ihre soziale Stellung auf den ersten Blick.
Hier die stolze trojanische Königstochter, Schwester (unter anderem) des Helden Hektor und des Schönlings Paris, welcher Apollon die seltene Gabe der Weissagung schenkte, sie aber, nachdem Kassandra sein erotisches Begehren brüsk abgewiesen hatte, mit dem Fluch versah, niemand würde je ihren Prophezeiungen Glauben schenken; dort die verwöhnt-überspannte, geschwisterlose Grafentochter, der die Tore zur Welt offenstehen, die sich aber in ihrem ohnehin höchst ambivalenten Verlangen nach dem Diener Jean heillos verrennt. Und doch gibt es etwas, das ihnen beiden eingeschrieben ist: das Verrückt-Sein, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass Kassandra nur als verrückt gilt, während Julie tatsächlich eine Traviata ist, eine vom Weg abgekommene.
In Philippe Boesmans‘ Kammeroper von 2005, die ihren Namen trägt, aber auf das vorangestellte «Fräulein» der Vorlage, August Strindbergs sozialkritischem Trauerspiel aus dem Jahr 1888, verzichtet, besteht mit den ersten Worten der Köchin Christine (die bei Strindberg verniedlichend «Christel» heißt), kein Zweifel ...
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Opernwelt November 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 16
von Jürgen Otten
Die Causa ist weithin bekannt und in aller Ausführlichkeit durchgekaut worden. Richard Wagner, der politisch verfolgte «Revolutionär» und visionäre Tonsetzer, flieht 1849 ins Schweizer Exil nach Zürich, trifft dort (als deren Klavierlehrer) in der jungen und schönen Mathilde Wesendonck die erste wahre Liebe seines Lebens, verstrickt sich, während er Teile seiner...
Die Freundschaft von David und Jonathan, dem Sohn König Sauls, besitzt nicht erst in Charpentiers biblischer Oper aus dem Jahr 1688, sondern schon im Alten Testament einen erotischen Unterton. Der Regisseur Marshall Pynkoski beließ es im November 2022 in der Chapelle Royale von Versailles nicht bei der Andeutung, sondern zeigte das Coming-out der Männerliebe in...
Eine Sprossenwand gibt es, ein paar Turnmatten, Ringe und einen Boxsack. Doch ins Schwitzen gerät nur die stumme Statisterie mit gut definierten Astralkörpern und knappsitzenden Trainingshosen. Die eigentlichen Protagonisten tragen gern helle Sommeranzüge. Pro forma riskiert man ein paar Übungen in der Gymnastikhalle. Das passt zum Stücktitel, der mit «L’Olimpiade»...
