So viel Zeit muss sein
Der graue Linoleumboden riecht nach Schulsport, die Neonröhren summen leise. Hier ein Plüschsofa, dort eine Schubkarre voll abgewetzter Männerschuhe. An den Wänden: Ballettstangen. Ein groß gewachsener Mann im Sakko kriecht auf allen Vieren in die Mitte des Raumes, beobachtet von einer kleinen älteren Frau, die hinter einem langen Holztisch verkehrt herum auf ihrem Stuhl hockt. Der Pianist greift in die Tasten und singt: «Mein Soohn Amfoortaas, bist du am Aaamt?». Die Frage gilt dem Mann am Boden. Der scheint an seinem vorläufigen Ziel angekommen – einem Podest aus Europaletten.
Der Bariton Mathias Hausmann, die Spielleiterin Verena Graubner und der stellvertretende Studienleiter Christian Hornef feilen im dritten Stock der Oper Leipzig an Wagners «Parsifal». Zehn Jahre ist es her, dass Roland Aesch-limanns Inszenierung Premiere feierte, seitdem ist sie regelmäßig im Spielplan – und muss, wie jetzt zu Ostern, immer wieder aufpoliert werden.
Hausmann hievt sich auf die Paletten und singt von Amfortas’ Todessehnen. Sein Blick verfestigt sich in der Ferne, sein Atem geht schwer. Die Qualen, hörbar in der Stimme, sichtbar in der Mimik – man kauft sie ihm ab, auch ohne Kostüm und ...
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Opernwelt Juli 2016
Rubrik: Aus der Werkstatt, Seite 46
von Nora Sophie Kienast
Gut aussehend soll er gewesen sein. Mit großen, feucht schimmernden Augen zeigt ihn ein Ölgemälde von Élisabeth Vigée-Lebrun; angeblich hat sie ihn gut getroffen (Foto). Zarin Katharina die Große, der er von 1776 bis 1783 diente, war in Giovanni Paisiello geradezu vernarrt, überhäufte ihn mit Geschenken, legte ihm sogar einmal – er wirkte am Cembalo ein wenig matt...
Alejo Pérez suchte die Musik im Paradies. Hoch oben, wo die Fresko-Decke des Teatro Colón fast mit Händen zu greifen ist. Im «Paraíso», wie hier der höchste Rang heißt, stand Alejo als kleiner Junge an jedem nur möglichen Wochenende und blickte auf die Bühne. «Egal ob Oper oder Konzert – ich wollte dabeisein», erinnert sich Pérez, der jetzt zu den aufstrebenden...
Das Leben, ein Spiel
Mit zwei ehrgeizigen Produktionen bringt sich De Nationale Opera Amsterdam beim Holland Festival ein. Mariss Jansons dirigiert eine von Stefan Herheim inszenierte «Pique Dame», Louis Andriessen bringt sein neues Stück heraus: «Theatre of the World».
Grenzgänger
Mit dem Schreiben von Bühnenmusiken fing alles an. Dann begann David Marton eigene...