«Wir sind ständig auf der Suche»

Christophe Rousset über Genialität, den Reichtum Lullys und sein Ensemble Les Talens Lyriques

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Herr Rousset, Sie haben in Wien gerade Ihre fünfte Salieri-Oper dirigiert. Was haben wir bis jetzt versäumt?
Es gibt in «Kublai Khan» viel Kühnheit, vor allem in der Form. Die Arien werden oft von Rezitativphrasen unterbrochen; somit hat man den Eindruck, dass die Dinge sehr dringlich sind. Es gibt auch einen klaren Willen, die Rollen stilistisch zu definieren. Die Titelfigur ist ein Basso buffo, und auch sein Kammerherr Orcano ist ganz im Stil eines Narren gehalten.

Andererseits gibt es die Figuren von Alzima und dem Prinzen Timur, die tragischer sind und stärker charakterisiert werden. Ihr Liebesduett drückt sich in einem völlig anderen Musikstil aus, der uns zur Opera seria führt, mit einer raffinierteren Instrumentierung und extrem schönen Gesangslinien. Eine Persönlichkeit, die ziemlich erstaunlich ist, findet sich im Priester. Er manipuliert den Kaiser und seinen Sohn Prinz Lipi, welcher in einem etwas vorromantischen Stil behandelt wird. Es gibt also drei Ebenen, die in dieser Partitur klar festgelegt sind. Auch hier nutzte Salieri die Gelegenheit, neue Farben zu erfinden. In einem dieser Soli sind die hohen Streicher komplett abwesend: Nur Flöte und Oboe spielen über den ...

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Opernwelt Juni 2024
Rubrik: Magazin, Seite 72
von Rebecca Schmid

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