Vogelschau, Panorama, Nahaufnahme
Die immer wieder mal aufflackernde Debatte über Sinn oder Unsinn der Literaturoper im Zeitalter der (Post-)Moderne ist oft ein Streit um des Kaisers Bart. Denn wenn ein Auftrag für die Bühne winkt, orientieren sich die meisten Komponisten nach wie vor an dem, was die Dichtung spricht. Geschichten aus der Bibel, antike Mythen, Shakespeare, Kleist oder Puschkin befeuern die musiktheatralische Fantasie offenbar stärker als die Schwarmintelligenz unserer digital entzauberten Gegenwart.
Die einen bedienen sich dabei direkt beim Kanon, andere versichern sich der Librettodienste (mehr oder minder) opernaffiner Schriftsteller oder schreiben – wie weiland Wagner – den Text zur Musik gleich selbst. Kurzum: Alle Zweifel an Potenzial und Relevanz der Gattung werden regelmäßig von der Realität übertönt, kein Jahr vergeht ohne einschlägige Neuschöpfungen.
Im Fall des britischen Komponisten Michael Berkeley und seiner 2008 uraufgeführten Kammeroper «For You» liegen die Gründe für diese Konstellation auf der Hand: Berkeley ist eng mit dem Schriftsteller Ian McEwan befreundet, schon vor knapp drei Jahrzehnten traten die beiden mit einem Antikriegsoratorium («Or shall We Die?») hervor. Derzeit ...
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Opernwelt Mai 2011
Rubrik: Medien/CDs und DVDs, Seite 26
von Albrecht Thiemann
Eigentlich sind die Bedingungen alles andere als gut. Nach kurzen Jahren des Ruhms in der Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht emigrierte Kurt Weill im März 1933 aus Deutschland, mit gerade 50 verstarb er 1950 in New York. In der DDR galt er neben Hanns Eisler wenig, auch die westdeutsche (Darmstädter) Avantgarde stand ihm fremd gegenüber. Heute sieht das Verhältnis...
«Es war einmal», schrieb er damals auf den blauen Vorhang. Die Kreide quietschte, während im Graben des Münchner Nationaltheaters das Es-Dur-Vorspiel heraufdämmerte – was orthodoxe Wagnerianer prompt erboste. Obgleich Robert Tear noch keinen Ton in diesem «Rheingold» gesungen hatte, galt er sogleich als Bösewicht. Zweieinhalb Stunden später, als der Brite die...
Vivi, tiranno: Bertarido hat gerade das Leben des Usurpators Grimoaldo gerettet, dennoch erwartet er den Tod. Seinen Zorn entlädt er in heftigen Wutaffekten und Koloraturkaskaden. Darin lässt Bejun Mehta, zur Zeit quasi der «King» der Counters, sich nicht lumpen: Kristallklar und gestochen kommen sie, technisch makellos gebändigt trotz aller Intensität. Freilich,...
