Suggestive Askese

Sciarrino: Luci mie traditrici
Lübeck | Theater

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«Musik habe ich gar keine gehört.» So soll ein biederer Schweizer einst Richard Strauss geantwortet haben, als der ihn nach einer Basler Aufführung der «Elektra» gefragt hatte, wie ihm die Oper gefallen habe. Der Eidgenosse fand das expressionistische Ausrasten «großartig».

Aber war da überhaupt Musik?

Salvatore Sciarrino und Richard Strauss in einem Atemzug zu nennen, mag kühn erscheinen, ist der 1947 geborene Sizilianer als Meister der Stille, der radikalen Reduktion und des subkutanen Andeutens von allem Emotionalen schließlich ein denkbar krasser Gegenpol zum passions­prallen Bajuwaren. Doch wo uns, zumal in «Elektra», dank all der dissonanzgeschärften Fortissimi die Ohren dröhnen, vergessen wir bei Sciarrino unter umgekehrten Vorzeichen unsere traditionelle Perspektive der auditiven Wahrnehmung.

Die antinaturalistische Askese, Künstlichkeit und Stilisierung der Musik von «Luci mie traditrici» findet in der Inszenierung von Sandra Leupold eine so idealtypische Entsprechung, dass uns gleichsam doppelt die Sinne schwinden. Uns vergeht nicht bloß das Hören. Wagners Vision vom unsichtbaren Theater wird hier scheinbar nebenbei, doch umso ganzheitlicher in die Tat umgesetzt. Statt ...

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Opernwelt Mai 2018
Rubrik: Panorama, Seite 58
von Peter Krause

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