Schwarze Serie in Göteborg

Der schwedische Komponist Hans Gefors hat aus Hitchcocks «Notorious» eine Oper gemacht – für Nina Stemme und mit dem Kasseler GMD Patrik Ringborg als Dirigent

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Anfangs bringt sie kein Wort heraus. Nur ein paar diffuse Laute behaupten sich gegen die aufgekratzten Trompeten und Holzbläser, gegen den sirrenden Streicher-Sound. Erst in Takt 29 findet Alicia die Sprache wieder. «Du är du. Jag är jag», entgegnet sie dem Nazi-Vater, der sie für seine Sache einspannen will. «Du bist du. Ich bin ich.» Eine Quarte stürzt die Stimme ab, um sich dann zum zweigestrichenen f aufzuschwingen. Leise, gefasst, aber entschlossen klingt dieses «Ich».

Con integrità sei die kurze Phrase zu singen, notiert Hans Gefors in der Partitur seiner Hitchcock-Oper «Notorious». Nina Stemme tut genau, was der Komponist sich wünscht. Schon hier, mit den ersten tastenden Tönen, geht sie in der Figur auf. Man spürt sofort, dass die Partie der labilen, gefährdeten Heroine aus dem 1946 mit Ingrid Bergman, der schwedischen Hollywood-Ikone, und Cary Grant gedrehten Spionagethriller (deutscher Titel: «Berüchtigt») für sie geschrieben wurde. Die erste Rolle, die Nina Stemme auf Schwedisch singt, in ihrer Muttersprache. Die kantablen Linien, das vokal gedachte Melos, die innere Dramatik, den feinen Schmelz der lyrischen Momente – all das kostet sie mit sinnfälligem Genuss aus. Auch ...

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Opernwelt November 2015
Rubrik: Magazin, Seite 76
von Albrecht Thiemann

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