Morgen über uns

Marc Albrecht und Christof Loy deuten das Mysterienspiel «Das Wunder der Heliane» von Erich Wolfgang Korngold an der Deutschen Oper Berlin

Opernwelt - Logo

Am Ende – kurz vor elf Uhr nachts – gehen zwei Menschen «in den Himmel» ein. Sie nennt sich Heliane und ist, der Name verrät es, eine Art weiblicher Heiland, Stimmlage Sopran. Er hat zwar keinen Namen, soll aber ebenfalls eine Erlösergestalt sein, Stimmlage Tenor. Kein Liebesduett, dafür eine Apotheose. Eigentlich sind die beiden längst tot, nun aber «strömen Du und Ich in einen Strom». Hinter der Bühne schmettern Trompeten und Posaunen. Auf der Bühne feiert der Chor in goldglänzenden Akkordtrauben einen «Morgen über uns». Das Orchester schwelgt in gleißendem H-Dur.

Der Vorhang schließt sich, wie die Regieanweisung fordert, «über Licht und Schönheit».

Maßloses Finale einer maßlosen Oper. Dass sie mit eschatologischem Furor alle Bühnenformate sprengt, macht ihren Reiz aus. Die Deutsche Oper Berlin geht damit zwar nicht in den Himmel ein, aber am späten Ende gibt es  viel Jubel – von allen, die nicht im Klangbad ersoffen sind. Musiktheater als postdramatischer Selbsterfahrungstrip, als endlose, zeitfreie Performance, als sinnlicher Dauerbeschuss: Schon klar, warum Erich Wolfgang Korngolds «Wunder der Heliane» heute wieder Konjunktur hat. Christoph Schlingensief hätte sie geliebt, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2018
Rubrik: Im Focus, Seite 16
von Stephan Mösch

Weitere Beiträge
Schluss, vorbei

Noch einmal bauscht der Vorhang zur Seite, und da stehen sie, jubelumbrandet, im Rosenregen: Gwyneth Jones, die erste Feldmarschallin, Brigitte Fassbaender, ihr Octavian, «Otti» Schenk, Jürgen Rose – eine Verbeugung vor dem Strauss-Dreamteam der 1970er-Jahre, eine Huldigung, bevor dieser «Rosenkavalier», Inszenierungsikone, lange von Carlos Kleiber dirigiert und an...

Klanggedächtnis

Herkulesaufgabe? Sisyphusarbeit? Man darf sich in der Beschreibung von Christian Merlins Jubiläumsgabe zur 175. Wiederkehr des Geburtstags der Wiener Philharmoniker durchaus aus dem Mythos der Antike bedienen. Natürlich könnte man auch Goethe zitieren: «Nur das Leichtere trägt auf leichten Schultern den Schöngeist. Aber der schöne Geist trägt das Gewichtige leicht...

Suggestive Askese

«Musik habe ich gar keine gehört.» So soll ein biederer Schweizer einst Richard Strauss geantwortet haben, als der ihn nach einer Basler Aufführung der «Elektra» gefragt hatte, wie ihm die Oper gefallen habe. Der Eidgenosse fand das expressionistische Ausrasten «großartig». Aber war da überhaupt Musik?

Salvatore Sciarrino und Richard Strauss in einem Atemzug zu...