Irrsinn Europa

Mit seiner «Hamletmaschine» schrieb Wolfgang Rihm eine Oper für die Zukunft. Vielleicht hat uns das erst die Wiederbegegnung in Zürich klar gemacht – fast drei Jahrzehnte nach der Uraufführung

Da ist es wieder, das große «Bla Bla». Gab es 26 Jahre lang nicht mehr live zu hören. Wer wollte, behalf sich in dieser Zeit mit dem Mitschnitt der Mannheimer Uraufführung 1987. Oder, ganz anders, aber ähnlich krass, mit dem Hörspiel, das die Einstürzenden Neubauten drei Jahre später aufnahmen. Zu dieser Zeit, Ende 1990, war Wolfgang Rihms Oper schon von den Spielplänen verschwunden. Sie hatte nur drei Inszenierungen erlebt, nach Mannheim eine in Freiburg und eine in Hamburg.

«Die Hamletmaschine»: «Ich war Hamlet.

Ich stand an der Küste und redete mit der Brandung Bla Bla, im Rücken die Ruinen von Europa.» Zwei große Trommeln setzen ein, zwei Hämmer, überhaupt eine enorme perkussive Wucht, ein Krachmacher-Tuttiklang, der jedes Wort zermalmt, jedes der Worte, die zuvor bleischwer auf die Bühne fielen, gesprochen von Hamlet, dem alten Schauspieler – Hamlet gibt es in der Folge auch als jungen Schauspieler und als Bariton. Sie alle stehen in den Ruinen Europas, nein, die sind ja in deren Rücken. Also sind sie jenseits der Ruinen, postapokalyptisch.

Drei Rätsel. Das eine beschäftigt seit Langem, ehrfürchtig und angsterfüllt, das Sprechtheater: Wie konnte Heiner Müller 1977 diese ...

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Opernwelt Jahrbuch 2016
Rubrik: Wiederentdeckung des Jahres, Seite 41
von Egbert Tholl

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