Editorial
«Dürfen wir mal schnuppern?» Gerade hat Dulcamara dem herzschmerzgeplagten Nemorino in der Check-in-Halle das Heilfläschchen aus seinem Überseekoffer angedreht. «Riecht nach Bordeaux», meint Neri Marcorè. Schon wieder hat sich der RAI-Moderator mit seiner Arte-Kollegin Annette Gerlach unter die Sänger gemischt, die am Mailänder Flughafen Malpensa Donizettis «L’elisir d’amore» aufführen. Mit Vittorio Grigolo, hier der Verliebte aus der Pizzeria, haben sie schon angestoßen. Nun muss Michele Pertusi, der den baritonbewehrten Quacksalber gibt, ein bisschen Smalltalk machen.
Zur Ouvertüre kreiste er noch in einer fliegenden Kiste der «Elisir Air», am Rollfeld sehnsüchtig erwartet von Alexander Pereira, der sich das «interaktive» September-Spektakel ausgedacht hatte. Natürlich darf auch der Scala-Chef vor der Kamera brillieren: «Diese Oper bringt uns sehr viel Freude», sagt er, hebt einen Champagnerkelch und schwärmt vom tollen Gulasch, Kaviar und den Wiener Schnitzeln, die es auf dem nahe gelegenen Expo-Gelände gibt.
Seid umschlungen, Millionen! Oper als Musikantenstadel. Als Twitter-Event. Als Markenzeichen und Werbeträger. Für das Teatro alla Scala, das Grischa Asagaroffs ...
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Opernwelt November 2015
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Wiebke Roloff & Albrecht Thiemann
Zum hypnotischen Ostinato von Henryk Góreckis «Sinfonie der Klagelieder» (Sopran: Debra Stanley) baut sich das erste Motiv auf. Am Boden krauchen Aussätzige. In der Mitte waltet Franz von Assisi – von ihm erzählt Jo Fabians sinfonisches Bildertheater «Francesco» am Staatstheater Cottbus –, oben zeigt sich Christus. Charaktere im altniederländischen Stil vor...
Bildmacht ist Barrie Koskys Theater gewiss nicht abzusprechen. Olympia: ein Doppelwesen, bestehend aus einer tumben Stoffpuppe (einem Mann) und einem Automatenmöbel, aus dessen mittlerer Schublade ein roter Rapunzel-Zopf hervorzüngelt. Hoffmann, aufgespalten in gleich drei Figuren, sitzt als alter Mann (Uwe Schönbeck) auf einer Riesenraute aus leeren Pfandflaschen...
Die lange vernachlässigten Opern Bohuslav Martinus werden inzwischen wieder häufiger gespielt: Zuletzt zeigte Frankfurt «Julietta» und einen Einakter-Abend (siehe OW 8/2015). Jetzt zieht Essen mit Martinus letztem, in seinem Todesjahr 1959 vollendeten englischsprachigen Bühnenwerk «The Greek Passion» nach. Ein griechisches Dorf will die Passion spielen. Die Rollen...
