Beschädigung als Phänomen

Diana Damrau nähert sich den Frauenfiguren des Belcanto als Analytikerin

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Der Begriff «Belcanto» scheint auf vieles anwendbar – auch Hunde hat man schon so gerufen. Ihn wörtlich als Schöngesang zu übersetzen, ist unzureichend, denn eigentlich steht er für die haute cuisine der Gesangstechnik; im Vergleich dazu schmeckt das robuste Staudruck-Stemmen wie Currywurst. Zugleich repräsentiert dieser Begriff eine Periode der Musikgeschichte, in der solche Technik besonders gefordert war.

Mancher Sänger fällt gerade dort in die Fallgruben der Selbstgefälligkeit und bespiegelt sich in virtuoser Koloraturakrobatik.

Diese Gefahr wollte Diana Damrau in ihrem neuen Recital «Fiamma del Belcanto» unbedingt vermeiden. Es ging ihr nicht um «vokale Kunststückchen», erklärt das Booklet, sondern um Oper als Ausdruck einer inneren Wirklichkeit. Die Diva aus Günzburg, unterstützt durch das solide Orchester des Teatro Regio Torino unter Gianandrea Noseda, sucht die Brüche der Charaktere, die Verwerfungen der Seele auszuleuchten. Sie seziert mit Aplomb und vokaler Brillanz Frauenfiguren, die alle irgendwie beschädigt sind. Auch die nicht als typische Repräsentantinnen des Belcanto geltenden Verdi-Heroinen Luisa Miller, Amalia, Violetta sowie selbst Puccinis Mimì und ...

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Opernwelt Mai 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 24
von Gerhard Persché

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