Auf halbem Wege
Eine junge Frau hält einen Totenkopf in den Händen, betrachtet ihn eingehend, wirft ihn dann von sich; ein Kind fängt den mutmaßlichen Schädel auf, er entpuppt sich als Ball. Und wir haben uns täuschen lassen. Calixto Bieito punktet, führt mit einem konkreten, angemessen schillernden Bild in seine szenische Anverwandlung von Verdis «Messa da Requiem» ein. Mutter und Sohn spielen miteinander.
Doch liegt in diesem familiären Carpe diem nicht auch ein heimliches, die schlichte Idylle gefährdendes Memento mori? Muss der Kleine, der in der vom Regisseur erdachten Figurenkonstellation als Sohn von Sopransolistin und Bass erkennbar wird, womöglich eines frühen Todes sterben? Die dezidiert alltägliche Exposition dieser Veroperung einer Requiemmusik, die Hans von Bülow einst als «Oper im Kirchengewande» verspottete, lässt uns anregend heutige Bilder erwarten, lässt uns übers eigene Glauben, Hoffen und Zweifeln nachsinnen wie über jenes des mindestens kirchenkritischen Komponisten, der im finalen «Libera me» zwar um Erlösung fleht, ohne aber ein letztgültiges Versprechen auf ein ewiges Leben geben zu können. Über dem sanften utopischen Vorschein steht musikalisch ein in vierfachem Piano ...
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Opernwelt Mai 2018
Rubrik: Panorama, Seite 53
von Peter Krause
Was für eine Inkubationszeit! «Ein Traumspiel», die erste Oper von Aribert Reimann, wurde 1965 in Kiel uraufgeführt (dirigiert von Michael Gielen). Erst 22 Jahre später – der «Lear» war längst ein Erfolg – kam das Stück wieder auf die Bühne, diesmal in Wiesbaden. Noch einmal drei Jahrzehnte später erlebt es nun seine dritte Produktion – am Theater Hof, was einfach...
Am Anfang ist das dunkle, kalte Nichts. Der leere Raum vor schwarzglänzenden Brandschutzmauern. Nach funkelnder Operette sieht es kaum aus. Und das wird sich zunächst auch nicht ändern. Denn von der Seite schiebt sich ein Thespiskarren mit der Aufschrift «Varieté Vanitas» herein, gezogen von einem puttogleichen Wesen (Rüdiger Frank). Cupido ist’s, aber er ist nicht...
Herkulesaufgabe? Sisyphusarbeit? Man darf sich in der Beschreibung von Christian Merlins Jubiläumsgabe zur 175. Wiederkehr des Geburtstags der Wiener Philharmoniker durchaus aus dem Mythos der Antike bedienen. Natürlich könnte man auch Goethe zitieren: «Nur das Leichtere trägt auf leichten Schultern den Schöngeist. Aber der schöne Geist trägt das Gewichtige leicht...
