Kindgerechte Märchenhaltung
Gab man bei Google Anfang 2005 die beiden Suchbegriffe «kindgerecht» und «Theater» ein, dann erhielt man als erstes Suchergebnis einen Gästebucheintrag vom Theater Bautzen mit folgendem Wortlaut: «Am letztem Sonntag besuchten ich und meine beiden Söhne die Familienvorstellung des angeblichen Weihnachtsmärchens ‹Der gestiefelte Kater›. Mit großem Entsetzen musste ich feststellen, dass Schimpfworte wie ‹Du, Idiot!› in dieser Inszenierung frei den Kindern vor die Füße gewurfen werden.
Es ist schlimm, dass man sowas nun auch im Theater hören muss, von Filmen und Serien ist man das ja bereits gewohnt. Doch muss auch im Weihnachtsmärchen dieser rüde Ton angeschlagen werden, für die Kinder ist nur mehr ein Grund diese Worte zu benutzen. Mit freundlichen Grüßen, Annika B.» (Rechtschreibfehler von der Autorin).
Solche pädagogische Vorsicht mag man komisch finden, aber höchstwahrscheinlich beschreibt Frau B.’s ehrliches Entsetzen exakt die Kunstentfremdung von Menschen, die genau einmal im Jahr ins Theater gehen: im Dezember mit den Kindern zum Weihnachtsmärchen. Erwartet wird dann eine ästhetische Dienstleistung, die möglichst reinlich die elterlichen Erinnerungen an Märchenbücher der ...
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