Kurz vor dem Abgrund

Lukas Bärfuss «Der Bus»

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Pilgern ist Pop in diesen Zeiten. Als der Papst kam, feierten im karnevalserprobten Köln katholische Jugendliche in unübersehbaren Massen unterm Kreuz ihre neu entdeckte Spiritualität, und es war nicht immer ganz klar, ob sie gerade «Helau» oder «Heiland» riefen: Pilgern ist zum Event verkommen, bei der der einsamen lieben Seele keine Ruhe mehr gelassen wird. Pilgern ist hip, und wer da noch allein und büßend auf einem Jakobsweg (was auch schon fast nicht mehr möglich ist) in Gedanken und voller Reue vor sich hin stolpert, wird nur noch milde belächelt.



Für Erika, die sanfte Pilgerin aus Lukas Bärfuss’ Schauspiel «Der Bus (Das Zeug einer Heiligen)», wären solch vergnügliche Volksfest-Vespern und illuminierten Erweckungsinszenierungen allerdings nichts. Auf der Dom-Platte am Rhein hätten die La-Ola-Wellen der Benedikt-Fanclubs sie fortgeschwemmt wie eine orientierungslose Oblate.
Denn sie will doch nur eins sein mit ihren Sünden und mit ihrem Herrn im Himmel, wenn sie sich auf den Weg macht zur Schwarzen Madonna nach Tschenstochau. Dumm nur, dass sie vor lauter Versunkenheit ins falsche Verkehrsmittel gestiegen ist und sich jetzt als blinde Passagierin nicht etwa vor Gott, sondern ...

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Theater heute Februar 2006
Rubrik: Chronik, Seite 41
von Bernd Noack

Vergriffen
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