Tamas Detrich
Die Krise der letzten Monate hat mir durchaus positive Erkenntnisse beschert. Die abrupte Schließung unseres Theaters hat uns und unserem Publikum vor Augen geführt, dass der bis dahin als selbstverständlich erachtete fortwährende Vorstellungsbetrieb mit seiner anscheinend endlosen Kette von Premieren, Wiederaufnahmen und Repertoirevorstellungen nicht selbstverständlich, sondern ein kostbares Privileg ist. Ich war überglücklich, wie dankbar die Menschen waren, als wir in Windeseile ein Video-on-Demand-Programm auf die Beine gestellt haben.
Wir haben zahlreiche positive Rückmeldungen bekommen, die uns sehr berührt haben. Aber alle haben auch geschrieben, wie sehr ihnen unsere Vorstellungen trotzdem fehlen. Ich glaube fest daran, dass ein verstärktes Bewusstsein für die Bedeutung der Kultur für unsere Gesellschaft – insbesondere der Live-Performances – bleiben wird.
Mir war außerdem klar, dass diese Krise eine Art Prüfstein für die hiesige Politik sein würde: Was sind ihr unsere Tänzer wert? Als das Wort «Kurzarbeit» in aller Munde war, habe ich zugegebenermaßen einige schlaflose Nächte gehabt. Also blieb ich im Dauerkontakt mit unserem zuständigen Ministerium, habe akribisch ...
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Tanz Jahrbuch 2020
Rubrik: Jahrbuch 2020, Seite 64
von Tamas Detrich
Wenn Ballettdirektor Christian Spuck in seinen Vorstellungen im Opernhaus Zürich sitzt, beobachtet er regelmäßig Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich recht abenteuerlich gebärden. Sie biegen sich um eine Säule herum und lehnen sich in luftiger Höhe weit über die unteren Reihen hinaus, um mindestens ein bisschen etwas von der fabelhaften Darbietung des Ballett...
Die Zeit der Selbstisolation ist so gut wie vorbei, und wir können zurückblicken und analysieren, was uns da eigentlich widerfahren ist. In einem Wimpernschlag wurden die Pläne unserer auf Tage und Jahre hinaus durchgetakteten, hochtechnologisierten modernen Welt durchkreuzt. Prozesse wurden gestoppt. Wir fanden uns allein, zurückgeworfen auf unsere Gedanken, in...
Alles bleibt in dem Zustand, in dem sich nichts befand, bevor die Corona-Krise eine Korrektur unserer Umweltwahrnehmung vornahm. So paradox es klingen mag, man muss die Katastrophen begrüßen, die uns zwingen, neu auf das Eingefahrene zu schauen. Ohne Anlass fällt es uns besonders schwer, die Strukturen, in denen wir leben und arbeiten, zu verändern.
Aus der Angst...