Orgy of Tolerance

Jan Fabre, der Berserker aus Antwerpen, zeigt, wie sehr er die Toleranz (seines Publikums) hasst, wenn sie sich von Ignoranz nicht mehr unterscheiden lässt.

Tanz - Logo

Jan Fabres jüngstes Werk, «Orgy of Tolerance», beginnt mit einer brutalen Szene. Zwei Frauen und zwei Männer treten in altmodisch-weißer Männerunterwäsche auf, dazu tragen sie eine Kappe, schreiend bunte Socken und Lacklederschuhe. Es gibt keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, weder in diesem demütigenden Kostüm noch bei dem, was jetzt auf sie zukommt.

Eine Pfeife trillert, vier weitere Tänzer treten auf (alle mit einem Gewehr auf dem Rücken, man ahnt nichts Gutes).

Von ihnen erhalten sie je eine Pille, Viagra wahrscheinlich, denn auf einen erneuten Pfiff hin beginnen die beiden Männer und Frauen wie verrückt zu masturbieren (zumindest tun sie so als ob, bei den Mädchen lässt sich das schlecht nachprüfen). Umso wilder feuern die «Trainer» sie an. Die vier sollen so oft wie möglich kommen. Sie geben sich auch ernstlich Mühe. Sie kommen. Noch mal und noch mal. Eine Farce wird es erst, wenn die Beatles «Come together» singen. Vor wenigen Jahrzehnten hätte eine solche Aktion auf der Bühne mindestens Proteste hervorgerufen, Polizei wäre gekommen und die Show verboten worden. Jan Fabre erinnert sich gut an solche Zeiten. Der jetzt 50-Jährige weiß: Heute passiert bei derlei ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen
Weitere Beiträge
Jenseits

Jérôme Bel, der große Intellektuelle unter den Choreografen, findet es traurig, dass es den großen Vorhang nicht mehr gibt. Nicht bei den modernen Stücken. In Paris, «in der Opéra Garnier gibt es noch zwei Vorhänge und jeder von ihnen hat mehrere Bewegungsarten beim Öffnen, das war faszinierend, aber vielleicht auch ein bisschen unnütz», sagt der Meister.

2001 in...

Gerald Siegmund

Gerald Siegmund ist seit dem 1. Januar Professor für Tanzwissenschaft in Gießen und gründet nun den nagelneuen Masterstudiengang Choreografie und Performance, Cup genannt. Das zweijährige Studium bietet das Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Uni Gießen zusammen mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt an. Gerald Siegmund, auch...

Minako Seki

Ein junges Mädchen läuft am Strand entlang, bleibt stehen und schaut hinaus auf das Meer. Ihre Augen blicken bis zum Horizont, der sich als klare Linie zwischen Himmel und Erde abzeichnet. Eine tiefe Sehnsucht ergreift das Kind, eine Frage steigt auf ins Bewusstsein und lässt es nicht mehr los: «Was ist hinter dem Horizont?» Darauf folgt eine zweite, ebenso...