Götter & Clowns

Jede Zeit hat ihre Idole. Sie werden angebetet – selbst dann noch, wenn sie sich verlieren. Was bleibt von ihnen? Ein historischer Spaziergang mit Jean Rouaud

Tanz - Logo

Um zu verstehen, worauf wir auf den ersten Blick perplex oder belustigt reagieren, könnten wir in den DeLorean DMC-12 aus «Zurück in die Zukunft» steigen und den Fahrer bitten, uns im Jahr 2120 abzusetzen, falls es dann noch ein bewohnbares Fleckchen Erde gibt. Im Fokus unserer Neugier stünde nicht, was wir aus der Welt gemacht haben, das überlassen wir dem nächsten Konvoi bekümmerter Kolonisten. Wir hätten kleine Filmchen aus unserer Jugend dabei, um sie unseren Ururenkeln zu zeigen.

Auf einem davon hampelt ein junger Mann herum, schüttelt sich, springt hin und her, grimassiert übertrieben und hält sich dabei einen eiskugelähnlichen Gegenstand vor den Mund, der – erklären wir – anno dazumal gebraucht wurde, um die Stimme zu verstärken, die nur so das Klangmagma hinter ihm übertönen konnte, diese Mischung aus schwerem Wummern, vielleicht von einem Maschinenhammer, dem Jaulen von Katzen, die sich den Schwanz in der Tür eingeklemmt haben, und einem ohrenbetäubenden Donnergrollen, vor dem nur ein Faradaykäfig Schutz böte. Nach dem Ende der Filmchen, auf denen der immerfort zappelnde junge Mann wie in einem Daumenkino das Vergehen der Zeit illustriert, wenden wir uns in dem Hochgefühl, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Tanz Jahrbuch 2019
Rubrik: Götter & Clowns, Seite 33
von Jean Rouaud

Weitere Beiträge
Raimund Hoghe

Er ist 70 Jahre alt. Ein Hoffnungsträger? Er trägt jedenfalls seine Bühnenstücke in die Theater und zum Publikum hin. Wie Pakete. Die packt er aus. Dann gibt er etwas ab. Was und wie man ihm das abnimmt, ist die Frage, immer wieder. Ob man mehr als zuschaut, nämlich hinschaut. Vielleicht gar aufschaut.

Hoffnung ist ein zu kleiner oder zu einfacher Begriff für das,...

Fake

Was mit kleinen Blockpartys an den Rändern von New York begann, hat mittlerweile die Kunstwelt revolutioniert. Von High Fashion über die Oper von Paris bis hin zu großen Getränke- und Kleidungsmarken: Alle schmücken sich mit der «Authentizität» und dem Lebensgefühl der Hip-Hop-Bewegung. Bei der nächsten Olympiade soll es sogar Breaking als Sportart geben, mit...

Rituale: Ksenia Ovsyanick

Einen konkreten Talisman oder Glücksbringer, so was habe ich eigentlich nicht. Ich knüpfe den Erfolg meiner Vorstellungen nicht so gerne an etwas Äußerliches, denn letztlich kann nur ich selbst meine Auftritte steuern.

Aber eine persönliche Routine vor jedem Vorstellungsbeginn habe ich schon. Die letzten beiden Stunden vor dem Auftritt sind mir sozusagen heilig....