Der friedensbewegte Futurist

VA Wölfl stellt noch einen Aschenbecher ins Foyer seiner Tanzbühne im edlen Schloss Benrath. Er hilft mit, das weiße Tischtuch zu richten, das am Abend vorher zur Uraufführung von «Ich sah: Das Lamm auf dem Berg Zion, Offb. 14,1» mit Rotwein in Berührung gekommen war. Über uns hängt ein von ihm entworfenes Plakat. Darauf steht: «It’s not good for one’s morals to see bad dancing or to see bad art.» Es kehrt Ruhe ein. Eine Pistole liegt auf dem Tisch. Nur ein befreundetes Tänzerpaar tut so, als wische es den Boden auf. In Wahrheit dient ihnen der Wischmopp als mobile Ballettstange. Leise tanzen sie während des gesamten Interviews mit Arnd Wesemann.

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«Seven Soldiers killed by helicopter crash in Iraq». Der Satz fällt im jüngsten Stück von
Neuer Tanz, «Ich sah: Das Lamm auf dem Berg Zion, Offb. 14,1». So eine ähnliche Nachricht gab es doch auch bei diesem auf der letzten Tanzplattform so berühmt gewordenen Stück «12/ ...». Was fasziniert VA Wölfl am Tod? Das ist keine Faszination am Tod. Es fasziniert nur die Nachricht. Man war ja nicht dabei, man erfährt nur etwas später von einem Defekt am Helikopter. Die sind sogar froh, dass der Helikopter einen Defekt hat, weil sie sonst zugeben müssten, sie hätten Verluste.

Da ist wie immer Bob am Werk.

Bob? Bob ist eine Comicfigur. Da stehen ein Junge und ein Mädchen im All. Kommt Bob von hinten, grinst, und sie fragen Bob: «Wo sind wir?» Sagt Bob: «Ihr seid zu Hause.» «Aber das ist doch nicht unser wirkliches Zuhause?» Sagt Bob: «Ihr lebt ja auch nicht wirklich.» So ist das auch mit den News. Immer muss so ein Anchorman in Basra anrufen und fragen: «Bob, was war denn bei euch da los?» Und Bob sorgt dafür, dass wir ihn dort wirklich sehen, auch wenn er uns dann gar nichts Wirkliches sagt. Das ist wie bei der Kunst. Man greift nach irgendwas und macht es bedeutsam. Dabei geht es nicht um ...

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Tanz Februar 2009
Rubrik: Kriegstänze, Seite 14
von Arnd Wesemann

Vergriffen
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