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alain platel
Einer, ein Einziger, steht ganz allein am Anfang von «C(h)œurs» auf der Bühne. Derweil verschanzt sich die Chor-Hundertschaft, während sie das «Dies irae» aus Giuseppe Verdis «Messa da Requiem» anstimmt, hinter PVC-Bahnen, wie sie sonst von Schlachthaus-Decken hängen.
Als Alain Platels choreografierte Belcanto-Rebellion im vergangenen Jahr zur Uraufführung kam, traute das Honoratioren-Publikum des Madrider Teatro Real seinen Augen kaum: Geht man etwa ins Theater, um dort der gleichen Krisensymptome ansichtig zu werden, die den Alltag eintrüben? Horden von Protestierenden, die sich singend und tanzend das Herz aus dem Leib zu reißen scheinen? Etliche Zuschauer verließen den Saal, aber wer blieb, erlebte ein aufwühlendes Gesamtkunstwerk: Tänzer und Sänger vereint, ein Chor als Corps de ballet, Verdi- und Wagner-Kompositionen als Soundtrack für Occupy. Auch wenn der Fernseher dafür eigentlich zu klein ist: Unbedingt am 7. September auf 3sat anschauen!
Tanz im TV
3sat, 3sat.de
7. Sept., 21.15h: «C(h)œurs», Tanzstück des belgischen Choreografen Alain Platel und seiner Kompanie Les ballets C de la B zur Chormusik von Wagner und Verdi, Aufzeichnung der ...
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Tanz August/September 2013
Rubrik: kalender und kritik, Seite 64
von
Der Anfang ist eine Novelle, der Schluss ein Scheiterhaufen. Ein Kind scharrt in der Asche und versetzt dem weiß verkohlten Körper seiner Mutter leichte Tritte. Qualm steigt auf. Wortlos, hilflos ist der Sohn. Die Mutter wirkt wie verbrannt in der Hölle der Einsamkeit. Im ersten Bild erhebt sie sich langsam, sinnlich, sexy, wie psychedelisch, dann wie verzweifelt....
Der Background ist beängstigend. Noch bevor das eigentliche Stück beginnt, spielt Christoph Winkler einen Soundtrack des Schreckens, der einen schon das Fürchten lehren kann, eine dumpfe Geräuschpalette, die auf eine Demonstration hindeutet, ein ohrenbetäubendes Trillerpfeifenkonzert, vereinzelte Sieg-Heil-Rufe, die das hörbare Ereignis ganz offensichtlich der...
Ausgerechnet der Tod, ausgerechnet die Sterbenden tanzen in den Totentanz genannten Darstellungen, wie sie seit dem Mittelalter verbreitet waren. Sie tanzen gemeinsam und nicht selten wild, in ihren letzten Momenten wie außer Rand und Band. Die Knochen der Totengerippe biegen sich bisweilen wie Gummi; lässig federn die muskel- und fleischlosen Gesellen in den Knien...
