Rituale: Lin Hwai-min
Im September 1993 vor der Premiere von «Nine Songs» erhielt ich in meiner Garderobe ein Geschenk: eine vergoldete Buddha-Statue im Thai-Stil. Anstatt sie mit nach Hause zu nehmen, beschloss ich, sie bei meiner Kompanie, dem Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan, zu belassen. Wir errichteten ihr einen kleinen Schrein in unserem Studio und huldig-ten ihr jeden Tag.
Da Cloud Gate jährlich mehr als hundert Tage tourte, war ich in dauernder Sorge: Ich wollte, dass die Kompaniemitglieder heil und gesund zu ihren Familien zurückkehrten, sah mich aber außer Stande, sie persönlich vor Verletzungen und Unfällen zu bewahren. Also musste ich Buddhas Segen erbitten. Wir nahmen die Statue also ein paar Jahre lang auf unsere Reisen mit, bis ich eines Tages ein schlechtes Gewissen verspürte, dass wir Buddha solche langen Reisen und Flüge zumuten mussten. Damals ersetzten wir die Statue durch ein Porträt.
Immer wenn wir an einem Gastspielort ankamen, gehörte es zu meinen ersten Handlungen, in einer der Garderoben einen mit frischen, duftenden Blumen geschmückten Schrein zu errichten. Dort betete ich jeden Tag – direkt nach dem Betreten und kurz vor dem Verlassen des jeweiligen Theaters. Ich betete ...
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Tanz Jahrbuch 2019
Rubrik: Glücksbringer, Seite 14
von
Ich habe tatsächlich ein kleines Ritual vor Auftritten, die mir in kürzester Zeit viel Kraft und künstlerische Aussage abverlangen. Ich murmele dann kurz vor dem Auftritt den Vers: «An schaurigen Riffen zerschellt der purpurne Leib» – aus dem Gedicht «Klage» von Georg Trakl. Obwohl dieser Vers eher düster und verzweifelt klingt, kommt er mir wie ein Schlachtruf vor...
Ich hatte bisher in meiner noch jungen Karriere weder einen Talisman noch besondere Rituale. Aber ein Vorstellungstag ist für mich, wie für viele Künstler, etwas Besonderes. Ich schaue in den Stunden vor einem Auftritt gerne einen guten Film an oder höre Musik, die mich inspiriert, die Emotionen freilegt und meine darstellerische Kraft stärkt.- Vermutlich ist das...
Anne Teresa De Keersmaeker, Sie haben unlängst in einem Vortrag am Pariser Collège de France Erstaunliches über ihr Verhältnis zur Musik preisgegeben. Sie sagten: «Die Musik war mein erster Partner, ja sogar mein erster Meister.» Ferner betonten Sie, dass Sie nicht nur in einen Dialog mit der Musik treten, «da es sich schließlich um eine Liebesgeschichte handelt»....
