graz: Antonia Baehr: «Abecedarium Bestiarium»
Diversität ist eins der Zeichen unserer Zeit. Darum wird der weiße, heterosexuelle Mann als Maßstab von Ding und Welt künstlerisch so gern infrage gestellt, sei es, indem Jérôme Bel in «Disabled Theatre» lieber Menschen mit geistiger Behinderung auf die Bühne bringt, sei es, dass das Künstlerpaar Gintersdorfer/Klaßen die Opfer kolonialer Vergangenheit in den Vordergrund schiebt. Auch das Tier als Mit-Erdenbewohner des Menschen zählt längst dazu.
Antonia Baehr interessiert sich dabei für das speziesübergreifende Miteinander: In «My Dog is my piano» (2012) registrierte sie die Spuren des Zusammenlebens von ihrer Mutter mit Hund Tocki. Für ihr neues Stück «Abecedarium Bestiarium» hat sie – wie schon bei «Lachen» (2009) – in bewährter Manier ihre Freunde gebeten, eigens für sie Kompositionen zu schreiben: Scores, die die freundschaftliche Beziehung hier mithilfe eines ausgestorbenen Tiers metaphorisch fassen. So schrieben die Freunde ihr allerlei Tiere buchstäblich auf den Leib; ihren Körper inszeniert Baehr im Theater ohnehin in obligatorischen Herrenanzügen, sodass Identifizierungskategorien wie männlich/weiblich aussetzen. Mit Judith Butler begreift Baehr das Geschlecht – und also ...
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Tanz August/September 2013
Rubrik: kalender und kritik, Seite 58
von Esther Boldt
Das Begehren – eine reine Fantasie, eine immaterielle Idee, die zur körperlichen Qual wird. Die vielleicht lustvollste Form von Folter. Für Jefta van Dinther ist das Begehren eine Kraft, aus der Bewegung und Choreografie entstehen. «This is concrete» heißt seine aufregende Studie zum Verlangen. Aber bis es wirklich «konkret» wird und zur Sache geht, dauert es.
Dar...
Der Background ist beängstigend. Noch bevor das eigentliche Stück beginnt, spielt Christoph Winkler einen Soundtrack des Schreckens, der einen schon das Fürchten lehren kann, eine dumpfe Geräuschpalette, die auf eine Demonstration hindeutet, ein ohrenbetäubendes Trillerpfeifenkonzert, vereinzelte Sieg-Heil-Rufe, die das hörbare Ereignis ganz offensichtlich der...
Marius Petipa musste nicht lange überlegen, zu welcher Musik er Dornröschen wachküssen ließ. Er bestellte sich einfach «ein feuriges und bebendes Motiv» bei Tschaikowsky. Merce Cunningham schuf seine Choreografien unabhängig von John Cages Musik und setzte beides erst bei der Premiere zum fertigen Stück zusammen. «In meinen choreografischen Kreationen habe ich mich...
