Festspielhaus Hellerau

Bis heute thront es über dem Elbtal wie eine Kathedrale der Kunst. Vor rund einhundert Jahren fand hier Tanzrevolutionäres statt. Eine Rückschau

Die Eigenschaft zu leuchten hat Hellerau bis heute behalten – mythischer Ort mit magischer Aura über ein ganzes Jahrhundert hinweg. Hellerau, die Gartenstadt ebenso wie ihr Zentrum, die dem Rhythmus geweihte «Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze», leuchtete – um Thomas Manns 1902 ersonnenes, geflügeltes Wort über München abzuwandeln. Und das tat Hellerau selbst im schlimmsten Abschnitt seiner Geschichte. Nach den grandiosen Gründerjahren von 1911 bis 1914 hatte es Tiefen, aber durchaus auch Höhen durchlebt, die besonders nachhaltige Wirkung entfalteten.

Auch nach 1945 blieb Hellerau ein mythischer Ort, und das galt selbst in den 1980er-Jahren, als ein semmelblonder kleiner Sowjetsoldat mit vorgehaltenem Gewehr den Besucher am Weitergehen in den Hof der nun militärisch genutzten Anstalt hinderte. Das mythische Gebäude leuchtete weiter nach der Wende, als der Schmutz und der Gestank des einst so stolzen Hauses kaum an eine Wiederauferstehung glauben ließen. Doch die Anlage leuchtete erst recht, als sich – dank des Einsatzes einiger Unermüdlicher – die weltweit vorhandenen (Nach-)Bilder der ehemaligen «Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze» Stück um Stück mit der Realität zu überblenden ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Tanz Jahrbuch 2017
Rubrik: Mythische Orte, Seite 32
von Gunhild Oberzaucher-Schüller

Weitere Beiträge
John Neumeier: Tanz der Zukunft

«Wie sieht der Tanz der Zukunft aus und wo findet er statt?» Meine Antwort: Man müsste mehrere Jahre um die Welt reisen und intensive Beob-achtungen anstellen. Danach könnte man vielleicht eine kompetente Auskunft geben – wenn auch notwendigerweise durch die eigenen Präferenzen gefärbt. So allgemein, wie die Frage gestellt ist, kann ich sie keinesfalls guten...

Dewey Dell

Wie hältst du’s mit der künstlerischen Freiheit? Gute Frage in aufgeheizten Zeiten. Ist ein Tanzstück politisch genug, um gesellschaftlich relevant zu sein? Wieder eine heiße Frage, eine Wiedergeburt aus den 1970ern. Nur: Heute scheint alles noch komplizierter, als es vor vierzig Jahren ohnehin schon war. Das vor zehn Jahren gegründete, junge italienische Kollektiv...

Jessica Fyfe

Sie hätte Milena Jesenská verkörpern sollen, «ein lebendiges Feuer, wie ich es nie gesehen habe», so Franz Kafka einmal in einem Brief an Max Brod. Bekanntlich ist es zu dem «Kafka»-Ballett von Marco Goecke in Stuttgart nicht gekommen, und das ist schon deshalb bedauerlich, weil Jessica Fyfe so ganz und gar der Vorstellung Kafkas entspricht: Sie ist «äußerst zart,...